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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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bewusst war, ein Mann wie Kaspar, ein Windbeutel. Nein, noch einmal würde sie sich nicht in diesen verhängnisvollen Strudel kindischer Verliebtheit reißen lassen. Zu viel hatte sie inzwischen erlebt und erfahren.
    Sie beschloss, den Kommandanten einfach selbst zur Rede zu stellen. Denn Sandor, dessen war sie sich nun sicher, hatte nur das eigene Ziel vor Augen: sie auf Hohentwiel zu halten, mit der Aussicht auf ein wenig Abwechslung im alltäglichen Gleichmaß, auf eine amüsante Liebelei, mit der er vor den anderen auf der Burg renommieren konnte.
    Als sie den Speisesaal betrat, war das Abendessen bereits aufgetragen. Der Duft von gebratenem Speck stieg ihr beinahe qualvoll in die Nase. Sichtlich erfreut sprang Widerhold auf und bot ihr den freien Stuhl neben sich.
    «Habt Ihr es Euch also doch anders überlegt. Wie schön.»
    Der Höflichkeit halber setzte sie sich, Glas und Teller schob sie aber gleich von sich.
    «Verehrter Herr Kommandant, ich bin nur gekommen, um zu erfahren, warum Ihr meinen Bruder immer noch gefangen haltet. Hat Euch Euer Adjutant nicht gesagt, dass er längst kein Soldat mehr ist?»
    «Doch, das hat er in der Tat.»
    Der Arzt grinste bis zu den Ohren. «Man hätte geradezu meinen können, unser Freund wolle Euch loswerden, so vehement hat er sich für Euern Herrn Bruder eingesetzt. Dabei hätte ich das Gegenteil beschwören mögen.»
    «Ihr trinkt zu viel, Burmeister», stutzte Sandor Faber ihn mit eisiger Miene zurecht.
    Irritiert mühte Agnes sich, ihre Gedanken beisammenzuhalten und ihrer Stimme einen entschiedenen Klang zu geben. «Matthes Marx ist demnach eine Zivilperson geradeso wie ich, und soweit ich weiß, ist das, was Ihr tut, dann nichts anderes als Geiselnahme und verstößt gegen das Kriegsrecht.»
    «Wir haben eingenäht in seinem Hemd ein Dokument gefunden», entgegnete Widerhold. «Die Bestallungsurkunde zum Wachtmeister der herzoglichen Leibgarde Wallensteins.»
    «Was soll das beweisen? Wallenstein ist lange tot.»
    «Wer so etwas aufbewahrt, ist kein Deserteur, sondern Soldat und Parteigänger mit Leib und Seele.»
    «Oder ein gefühlvoller Dummkopf», entfuhr es Agnes.
    Widerholds Blick wurde weich. «Es ehrt Euch und Euren Familiensinn, doch die Sache ist entschieden. Wir werden ihn bei den Kaiserlichen auslösen. Danach mag Euer Bruder tun und lassen, was er will.»
    «Dann holt ihn wenigstens aus diesem grässlichen Verlies, ihn und seinen Rossknecht. Ihr sagt doch selbst, dass keiner hinter Eurem Rücken diese Festung verlassen kann.»
    Leutnant Althaus schlug die Faust auf den Tisch.
    «Nein!» Sein sonst so wachsbleiches Gesicht war rot angelaufen. «Ich lasse meine Anordnungen nicht durch fremde Weibspersonen untergraben. Sind wir hier auf dem Jahrmarkt oder in einer Garnison?»
    Schweigen breitete sich in der Tischrunde aus. Endlich erhob sich Agnes. «Dann ist das Euer letztes Wort?»
    «Ja.» Widerhold nickte. «Ihr könnt allerdings jederzeit zu ihm, ich werde der Wache entsprechende Anweisung geben. Und nun bitte ich Euch: Esst mit uns zu Abend.»
    Sie schüttelte den Kopf: «Ich habe nur noch eine letzte Frage: Was bekommen die beiden zu essen und zu trinken?»
    «Einen Napf voll Getreidemus und einen Krug Wasser», antwortete der Kommandant verwundert.
    «Und wie oft?»
    «Jeden Morgen.»
    «Dann werde ich Käthe sagen, dass sie mit mir ebenso verfahren soll. Und ich werde für den Rest der Zeit auf meinem Zimmer bleiben. Eine gute Nacht, die Herren.»
    «Wartet, Agnes, ich bringe Euch hinauf.» Sandor war aufgesprungen.
    «O nein, auf Eure Begleitung kann ich verzichten. Geht lieber Eurer Pflicht nach als Kerkerwächter meines Bruders.»
     
    Agnes hielt ihre selbst gewählte Gefangenschaft stoisch durch. Nach drei Nächten und zwei Tagen schließlich wurden Matthes und Mugge aus ihrem Verlies geholt und bezogen eine kleine Kammer gleich neben Agnes.
    «Ihr seid aus demselben Holz geschnitzt wie Euer Bruder», sagte Sandor Faber, nachdem er die beiden Männer in ihre neue Wohnstatt geführt hatte. Die Morgensonne zauberte helle Lichter auf den Dielenboden in Agnes’ Kammer.
    Faber hatte die letzten achtundvierzig Stunden zigmal gegen ihre Tür geklopft, hatte gebettelt und gefleht, ihn einzulassen, doch Agnes hatte nicht einmal geantwortet. Jetzt lachte er glücklich und fügte hinzu: «Derselbe Querkopf.»
    «Vielleicht», entgegnete sie leise. «Doch leider nicht immer zu meinem Vorteil.» Sie wusste von dem geschwätzigen Medicus, dass sie

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