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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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meine Frau werden?»
    Sie spürte, wie ihr Herz noch heftiger schlug, und schloss die Augen. Hatte nicht auch sie sich von Anbeginn zu diesem Mann hingezogen gefühlt?
    «Warum willst du dann, dass ich gehe?», fragte sie schließlich mit brüchiger Stimme.
    «Weil ich dich in Sicherheit wissen will. Und wenn das alles hier vorbei ist, komme ich zu dir, und wir heiraten. Das schwöre ich vor Gott.»
    Sie nahm seine Hand von ihrer Brust und richtete sich auf. «Dasselbe hat der Vater meines Kindes einst zu mir gesagt. Dannist er gegangen, und ich habe ihn nie wiedergesehen. Wie soll ich dir glauben, wenn doch der Krieg immer das letzte Wort hat?»
    «Die Liebe hat das letzte Wort.»
    «Du weißt so wenig über mich. Sonst könntest du mich nicht wirklich wollen.»
    «Es kann nichts geben, was mich davon abhielte.» Er näherte sich ihren Lippen zu einem Kuss.
    «Auch nicht, wenn ich dir sage, dass ich gebettelt und geplündert habe? Dass mich   –», sie stockte, «dass mich der Rittmeister zur Soldatenhure gemacht hat?»
    Jetzt war es heraus. Niemals hätte das zwischen ihnen stehen dürfen, auch wenn die Scham darüber noch so quälend war. Wenn Sandor jetzt aufstünde, so würde sie das verstehen.
    «Agnes, Liebste, das ist vorbei, das ist Vergangenheit. Auf uns beide wartet die Zukunft.»
    «Sandor, ich kann nicht mehr nur im Warten leben. Ich bin über dem Krieg alt geworden. Zu alt, um Kinder zu bekommen.»
    «Du bist nicht alt. Du bist schön.» Er küsste sie. Dann sah er auf, und in seinen Augen schimmerten Tränen.
    «Noch schlimmer, als keine Kinder zu haben», er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand, «ist es, wenn sie einem genommen werden. Ich hatte drei, und sie sind alle tot.»
    «Gütiger Gott.» Sie strich ihm die Tränen von den Wangen.
    «Es waren alles Mädchen, das Jüngste erst zwei. Wir erwarteten das vierte, und wäre es ein Junge geworden, so hätten wir ihn David – wir hätten ihn David getauft.» Er unterdrückte ein Schluchzen.
    Agnes zog ihn an sich. Als sein Atem ruhiger wurde, fragte sie: «War das auch der Krieg?»
    «Der Kirschenkrieg, vielleicht erinnerst du dich. Der lächerliche kurze Kirschenkrieg. Ich war damals Widerholds Leutnant. Bei Tübingen sind wir von den Fürstenbergischen Truppen aufgerieben worden. Der Tross wurde geplündert, meine Frau unddie Kinder haben sie hingemetzelt. Wäre Widerhold nicht gewesen – ich hätte den Verstand verloren. Er hat mich gefunden, als ich mich gänzlich irre geworden in den Wäldern herumtrieb.»
    «Und dann?»
    «Da ich nicht mehr kämpfen wollte, hat er mich als Kurier eingesetzt. Als er dann im letzten Herbst diese Festung übernahm, bin ich mit ihm gegangen.»
    Seine Hände waren eiskalt, und er zitterte. Sie streifte ihm das Hemd über den Kopf und zog ihn unter die Decke, streichelte seinen Rücken und seine Arme, wärmte ihn mit ihrem Körper, bis er sie über sich zog und voller Zärtlichkeit liebte. Erst im Morgengrauen ließ ihre Leidenschaft nach, und als Sandor sie erneut fragte, ob sie seine Frau sein wolle, antwortete sie ihm ohne Zögern mit Ja.

38
    Zwei Tage später meldete der Mann im Burgfried, dass Reiter im Anmarsch seien. Bis auf die Frauen, zwei Wächter, sowie Matthes und Mugge war die gesamte Garnison auf die untere Festung verlegt worden, wo die Geschütze bereits in Stellung gebracht waren. Vom Burgfried aus beobachteten sie, wie sich die Kaiserlichen formierten. Der Schlag der Trommeln hallte bis zu ihnen herauf.
    «Verdammt großer Aufmarsch.» Der Turmwächter spuckte aus. «Diese Bluthunde scheinen es ernst zu meinen.»
    Es sind weit mehr, als sie erwartet haben, dachte Matthes und mühte sich, seine Unruhe zu verbergen. Dabei sorgte er sich allein um Agnes, die jetzt bleich und angespannt neben ihm am Ausguck stand. Für sich selbst hatte er alle Hoffnung aufgegeben. Bereits als die württembergischen Kuriere ihn und Muggeaufgelesen und gefangen genommen hatten, so kurz vor dem Ziel, war ihm klar geworden, dass das Schicksal ihm kein gutes Ende ausersehen hatte. Waren nicht die letzten Jahre ein einziges Übel gewesen, ein Übel, das über ihn gekommen war, um ihn heimzusuchen und zu prüfen? Näher denn je fühlte er sich dem Herrn, denn er sah sich vor ihm in großer Schuld. Zugleich war er diesem Gott unendlich dankbar, dass er ihn zu Agnes geführt hatte. Und dass er ihm die Augen geöffnet hatte. Auch wenn die Katholischen zu diesem, die Protestanten zu einem anderen Gott beteten, so war

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