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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Gott, wenn ich geahnt hätte, dass Ihr seine Schwester seid.»
    «Verhören! Gequält und gepeinigt habt Ihr ihn. Um etwas herauszupressen, was er gar nicht weiß.»
    «Ich gebe zu, dass Althaus nicht eben zimperlich vorgegangen ist. Doch Widerhold hat eine neuerliche Tortur vorerst untersagt. Und schließlich – Himmel, wir haben Krieg, da gelten andere Gesetze.»
    «Und du? Warst du auch dabei? Hast du dir das blutrünstige Schauspiel mit angesehen?» In ihrer Wut war sie ins Du übergegangen.
    «Nein, ich war nicht dabei», sagte er leise. «Ich geb dir mein Wort: Ich werde alles unternehmen, um deinem Bruder zu helfen.»
    «Dann red mit dem Kommandanten. Er muss Matthes und diesen Jungen augenblicklich freilassen. Herrgott, die beiden sind doch schon lang in keiner Armee mehr. Und auf eure Kundschafter brauchen wir dann auch nicht zu warten, wir kommengut allein durch bis Stuttgart. Sag deinem Kommandanten, dass wir uns morgen auf den Weg machen wollen.»
    Er wirkte plötzlich traurig. «Gut. Ich werde tun, was ich vermag.»
    Schweigend begleitete er sie bis zu ihrer Zimmertür. Als er keine Anstalten machte zu gehen, fragte sie: «Gibt es noch etwas?»
    «Falls Widerhold deinen Bruder wirklich freigibt – wirst du dann tatsächlich morgen gehen?»
    «Ja. Und jetzt bitte ich Euch: Lasst mich allein.»
     
    Am nächsten Morgen brachte Käthe wieder einen Krug Milch. Sie war nun wesentlich freundlicher als am Vortag, blieb sogar einige Zeit bei ihr, um zu plaudern. Zwei Stunden später klopfte es erneut. Es war der Adjutant.
    «Habt Ihr mit dem Kommandanten gesprochen?»
    «Ja. Leider sind es schlechte Nachrichten.»
    Agnes lehnte sich gegen die Wand. Sie hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan.
    «Die beiden bleiben gefangen. Aber du – Ihr könnt sie jeden Tag aufsuchen. Bei Gelegenheit sollen sie gegen Ranzion den Kaiserlichen ausgeliefert werden.»
    «Warum nur? Habt Ihr denn nicht vorgebracht, dass mein Bruder desertiert ist? Dass er längst kein Soldat mehr ist?»
    «Das habe ich. Aber heute Morgen war Euer Bruder störrischer denn je. Widerhold und Althaus wollten es aus seinem eigenen Mund erfahren, und sie wollten Beweise. Stattdessen hat er am Ende den Leutnant bös beleidigt. – Er macht alles nur noch schlimmer», fügte er hinzu.
    «Dann möchte ich jetzt zu ihm.»
    «Aber der Kommandant erwartet Euch zum Mittagsmahl.»
    «Ich werde nicht mit Euch essen. Bringt mich jetzt bitte zu Matthes.»
    Ihr Bruder wirkte heute noch erschöpfter, aber immerhinsteckten seine Hände in neuen Verbänden, und die Strohschütte roch frisch.
    «Warum redest du nicht?», fragte sie.
    «Lass mir einfach ein wenig Zeit. Und sorg dich nicht, sie werden mich nicht mehr anrühren. Jetzt erzähl mir alles, was du erlebt hast.»
    So berichtete sie von ihren Ängsten um die beiden Brüder, ihrem Wunsch, sie ans Krankenbett der Mutter zu holen, einem Wunsch, der schließlich zur Besessenheit geworden war und sie zu ihrer Reise durch das kriegsverheerte Land getrieben hatte. Von ihrem treuen Begleiter Rudolf, ihrer Begegnung mit Lisbeth und den Gauklern, von Kaspars Tod und dem Überfall durch marodierende Söldner, von ihrem Versteck in der Erdhöhle. Erzählte in mageren Worten, wie sie dort den Tod erwartet hatte und wie Andres, ihr stummer Beschützer, sie wieder ins Leben zurückgeholt hatte. Berichtete von ihrem Kampf gegen den Winter auf der Alb, ihrer Gefangennahme durch die Schweden, der Plünderung des Nonnenklosters. Nur Rittmeister Steinhagen erwähnte sie mit keinem Wort. Zu tief steckte noch die Scham über diese Zeit in ihr. Als schließlich einer der Leibgardisten sie holen kam, war sie mit ihrem Bericht eben zu Ende gekommen, und Matthes weinte wie ein kleiner Junge. Von ihm selbst, seinem Leben als kaiserlicher Soldat, hatte sie nichts erfahren.
    Für den Rest des Tages blieb sie auf ihrem Zimmer, selbst als Käthe erschien und ihr ausrichtete, die Herren Offiziere würden sie gern zum Abendessen sehen. Mal stand sie am Fenster und sah hinunter auf das Land, das sich mit goldenen Herbstfarben zu schmücken begann, dann wieder ging sie unruhig auf und ab. Ein ungeheuerlicher Gedanke hatte von ihr Besitz ergriffen: Hatte Sandor Faber womöglich gar nichts unternommen, um Matthes’ Freilassung zu erwirken? Sie spürte noch seine warme Nähe im Stall, als seien sie eben erst auseinander gegangen. Sie holte tief Luft. Sandor war ein gut aussehender Mann, ein Mann,der die Frauen betörte und sich dessen

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