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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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sei der Liebling des hiesigen Weibervolks. Aber mochte in diesem Tratsch auch ein Körnchen Wahrheit stecken – sie konnte Kaspar nicht lange gram sein. Denn in den Stunden, in denen sie tagsüber beisammen waren, verzauberte er sie mit seinem Lachen und seinen Scherzen, seinem Lautenspiel und seinen Zärtlichkeiten, sodass sie allen Ärger darüber vergaß.
    Inzwischen schien auch der Friede in greifbare Nähe gerückt, zumindest für die Württemberger. Herzog Johann Friedrich hatte seine Söldnertruppen aufgelöst und sich zu Neutralität verpflichtet, auf Druck seiner Landstände. Von den Kanzeln der Kirchen priesen die Pfarrer in endlosen Dankgebeten den Frieden im Land, die Gläubigen sangen bewegt ihr «Herr, wir loben dich», und die Menschen schöpften wieder Hoffnung.
    Dann verstarb unerwartet der Hofkapellmeister Tobias Salomo, und Agnes’ Zuversicht auf eine baldige Wende in ihrem Leben schwand. Allerdings gelang es Kaspar diesmal wesentlich schneller, zu Basilius Froberger, dem Nachfolger Salomos, vorzudringen, denn er kannte inzwischen Gott und die Welt.
    Heute nun schien Kaspars großer Tag gekommen: Am frühen Vormittag war er in die Residenz geladen. Agnes zählte jeden Glockenschlag der nahen Kirche, lauschte auf jeden Schritt im Treppenhaus, bis endlich die Türe aufsprang und Kaspar eintrat, niedergeschlagen und mit hängenden Schultern.
    «Es tut mir Leid», murmelte er, ließ sich aufs Bett sinken und vergrub den Kopf in den Händen.
    Nach und nach erfuhr Agnes, dass Froberger zwar Kaspars Vortrag bis zu Ende gehört und ihm durchaus Talent bescheinigt hatte, indes nur, um ihm anschließend mitzuteilen, dass für die Hofkapelle aus der herzoglichen Schatulle nichts mehr zu holen sei, nicht zuletzt wegen der unerhörten Kriegs- und Söldnerkosten der letzten zwei Jahre.
    «Froberger hat sogar Anweisung, ausscheidende Musiker nicht mehr zu ersetzen, da nunmehr lediglich bei Gottesdiensten, Hochzeiten und Beerdigungen aufgespielt werden soll.»
    Kaspars Gesicht wirkte plötzlich grau, all sein Zauber war daraus verschwunden. Vergebens suchte Agnes nach ermutigenden Worten.
    «Könnte ich nur ein paar Brocken Englisch – dann hätte er versucht, mich bei John Price und seiner Engländischen Compania zu empfehlen, die Kammermusik für den Herzog macht.» Er erhob sich und trat an das winzige Dachfenster. «Dabei ist Froberger ein wunderbarer Mensch, und ich glaube fast, er mochte mich. Die Zeit der Lustbarkeiten bei Hofe sei nun wohl vorbei, hat er mir zum Abschied gesagt und dabei tatsächlich Tränen in den Augen gehabt. Doch er will meine Kunst im Gedächtnis behalten. Falls die Umstände wieder günstiger werden.»
     
    «Warte.» Agnes hielt Kaspar am Arm fest. «Geh noch nicht.»
    «Bitte, Agnes, es ist bereits dunkel. Ich muss los.»
    «Ich bekomme ein Kind!»
    «Wie – ein Kind? Was soll das heißen?»
    Kaspars fassungsloser Gesichtsausdruck machte sie wütend. «Was heißt da: wie?», spottete sie. «Weißt du nicht, wie eine Frau schwanger wird? Oder bin ich die Jungfrau Maria?»
    Sie hatte lange gezögert, mit Kaspar darüber zu sprechen, doch jetzt, wo ihre Regel zum zweiten Mal ausgeblieben war, wo sich ihr fast jeden Morgen der Magen umdrehte, war die Ahnung zur Gewissheit geworden. Und sie wusste nicht, ob sie glücklich oder verzweifelt sein sollte.
    «Warum sagst du nichts?»
    Kaspar stand noch immer wie erstarrt.
    «War es nicht das, was du wolltest? Mich heiraten, sesshaft werden, eine Familie gründen?»
    «Aber nicht – nicht in dieser Reihenfolge, in dieser – dieserelenden Dachkammer», stotterte er. Dann nahm er ihre Hand. «Verzeih mir, meine kleine Prinzessin. Ich bin ein Hornochse. Wir werden heiraten, und ich werde alles dafür tun, unserem Kind ein behagliches Nest zu schaffen.» Er lächelte. «Glaub mir, ich habe die Hoffnung auf Froberger noch nicht aufgegeben.»
     
    Doch die Glanzzeit der herzoglichen Musikkapelle schien endgültig vorbei. Wochenlang hörten sie nichts mehr von Froberger, und so lauerte Kaspar ihm eines Tages kurzerhand vor seinem stattlichen Haus in der reichen Vorstadt auf. Er schilderte ihm seine Lage, flehte ihn an, ihn wenigstens in Aushilfsdienste zu nehmen, doch der Kapellmeister bedeutete ihm, er könne nichts für ihn tun. Er habe inzwischen sogar Musiker entlassen müssen, keiner denke mehr an die Kunst in diesen unsicheren Zeiten. Dann drückte er Kaspar einen Silbergroschen in die Hand. «Gott segne und behüte Euch und Eure

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