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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dreißig Leute und mehr. Die Fideln und Sackpfeifen jaulten Tag und Nacht – während die einen noch tanzten oder soffen, lagen die anderen auf den Strohsäcken und schnarchten oder kotzten sich im Hof die Seele aus dem Leib. Hin und wieder verschwanden welche hinter dem Vorhang, stöhnten hemmungslos bei ihrem wüsten Treiben und kamen halbnackt wieder hervor, um sich zu stärken.
    Zu Agnes’ Erstaunen hatte sich Else all dem mit angewiderter Miene fern gehalten und Agnes am zweiten Tag beschieden, dasssie oben bei ihnen Quartier nehmen würde, bis der Hexentanz vorüber sei. Das gereichte Agnes insofern zum Vorteil, als sich keiner der Gäste mehr erkühnte, die Stiege zur Bühne hinaufzusteigen, nachdem Else einmal einem der Burschen den Nachttopf über den Kopf geleert hatte. So folgte sie Else hinauf ins Obergeschoss und hatte für den Rest der Tage ihre Ruhe, von dem ewigen Gejohle und Gekreische und der Gesellschaft der schlecht gelaunten Alten einmal abgesehen. Einmal war Lienhard heraufgekommen, voll wie eine Haubitze, hatte sich neben Agnes gelegt, mit beiden Händen ihre Brüste umfasst und versucht, sie zu küssen. Noch bevor sie sich recht wehren konnte, hatte Else schon einen Besenstiel gepackt und ihrem Schwager einen kräftigen Schlag gegen den Nacken versetzt.
    Da hatte sich Agnes geschworen, gleich nach den Faschingstagen hier auszuziehen, und zwar endgültig. Schließlich konnte sie sich auch als Dienstmagd drinnen in der Stadt verdingen, irgendeine Bürgersfrau würde sie ganz gewiss einstellen. Kaspar würde schon sehen – sie war nicht das hübsche Dummchen, das alles mit sich machen ließ, während er nur ans Vergnügen dachte, statt endlich seine Ziele in Angriff zu nehmen. Wie konnte er bei diesen schrecklichen Besäufnissen überhaupt mitziehen? Auf Dauer würde er sich mit Melchert Steiger um den Verstand saufen.
    Am Nachmittag des Aschermittwochs hatte dann plötzlich ein Steckenknecht mitten in der Stube gestanden und versucht sich Gehör zu verschaffen. Er habe Order, diesem sündhaften Treiben ein Ende zu bereiten und die Gesellschaft aufzulösen. Weiter kam er nicht, denn unter großem Gelächter wurde er hinaus auf die Gasse gezerrt. Und so geschah, was geschehen musste. Eine Stunde später war die Scharwache erschienen, zehn Mann hoch, mit Piken und Helmen bewehrt. Alle in der Stube Anwesenden wurden mehr oder weniger gewaltsam zum Narrenhäuslein am Marktplatz gebracht und für drei Tage gefänglich eingezogen.Auch Lienhard und Melchert. Die beiden Frauen oben auf der Bühne hatten die Scharwächter gnädigerweise unbehelligt gelassen.
    «Jetzt hat die liebe Seele endlich Ruh», hatte Else trocken kommentiert, als der Spuk vorüber war. Kaspar hatte sich rechtzeitig im Saustall verstecken können und war so der Verhaftung entkommen, die ihn seine Lizenz zum abendlichen Lautenspiel gekostet hätte.
    «So wie du stinkst, würde ich dich lieber im Gefängnisturm sehen», war Agnes’ einziger Kommentar gewesen, als er Stunden später die Stiege heraufgeklettert kam. Danach hatte sie zwei Tage kein Wort mehr mit ihm gesprochen, auch wenn es ihr schwer fiel. Denn Kaspar tat alles, um sie zum Lächeln zu bringen.
    Seit März wohnten sie nun schon hier, und im Grunde hatten sie es fast noch armseliger als bei den Brüdern Steiger. Die Kammer war winzig, der nächste Brunnen erst hinten beim Schellenturm, und es gab weder Ofen noch Herd. Wollte Agnes etwas kochen, musste sie in die Küche eine Treppe tiefer, die sie mit drei Winzermägden teilten.
    Auch diesmal beteuerte Kaspar, es sei nur vorübergehend, er habe bereits die Zusage des Kapellmeisters, bei Hofe vorzusingen, es handle sich nur noch um eine Frage des Zeitpunkts. Aber Agnes wusste nicht mehr, was sie ihm glauben sollte. Wenigstens besaß er inzwischen die Erlaubnis des Magistrats, in den Vorstadtschenken aufzuspielen bis zum ersten Ruf der Nachtwächter. Dazu musste er allerdings allwöchentlich seine Lizenz erneuern lassen und durfte sich nichts zuschulden kommen lassen. Auf ihn, den Gaukler zweifelhafter Herkunft, hatte man wohl ein besonders strenges Auge geworfen.
    Obwohl er also jeden Abend mit seiner Laute unterwegs war, brachte er herzlich wenig mit nach Hause, eine Handvoll Groschen und Kreuzer nur, und Agnes war sich sicher, das er einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen an Ort und Stelle in Weinumsetzte. Und mehr als einmal kam ihr, beim Schwatz am Brunnen oder beim Einkauf, zu Ohren, ihr schöner Bräutigam

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