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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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sich nieder und ließ die Krume durch ihre Finger gleiten. Dann faltete sie die Hände und sprach ein stilles Gebet. Ein Zaunkönig ließ sich auf der Grabstätte nieder, legte das Köpfchen schief und schien sie zu beobachten.
    «Er hatte keine Angst zu sterben», sagte Jakob leise, als sie ihr Gebet beendet hatte. «Mutter und ich hielten seine Hand, und er lächelte, als er ging. Sein letzter Wunsch auf dem Sterbebett war, dass Mutter Frieden mit dir machen möge. Vielleicht wäre ihr das auch leichter gelungen, hätte Matthes sich nicht in der Stunde tiefster Trauer ohne ein Wort aus dem Staub gemacht.»
    Als sie ins Haus zurückkehrten, hatte Marthe-Marie bereits das Abendessen aufgetragen. Sie sprachen nicht viel, doch Agnes konnte die Blicke ihrer Mutter spüren.
    Jakob schob den Stuhl zurück. «Ich muss noch einmal zu Majolis. Aber ich werde mich beeilen zurückzukommen.»
    Als er fort war, sah Agnes ihre Mutter unsicher an. «Jakob hat mir von Matthes erzählt.»
    Marthe-Marie nickte. Einen Moment lang fürchtete Agnes, sie könne wieder zu weinen anfangen, doch dann sagte sie mit fester Stimme: «Er hat in seinem Abschiedsbrief geschrieben, dass er dich gut verstehen könne, dass ihr beide, du und er, aus dem gleichen Holz geschnitzt seien, mit dieser Unrast im Blut. Und dass er vergeblich versucht habe, diese Unrast zu bekämpfen. Seither frage und frage ich mich: Was davon habe ich euch beiden in die Wiege gelegt? Ist es, weil ich selbst so lange herumgezogen bin mit den Gauklern, ist damit die Saat gelegt worden, die bei euch beiden nur aufging?»
    Es tat Agnes in der Seele weh. «Glaub mir, Mutter, ich habe meinen Platz gefunden. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du mit mir kommst. Jakob ist alt genug, um allein zurechtzukommen. Und wenn er erst Geselle ist, wird auch er dich verlassen, um sich irgendwo sein Auskommen zu suchen. Dann wärst du ganz allein.»
    Zum ersten Mal, seitdem Agnes ihr Elternhaus betreten hatte, wurde der Blick ihrer Mutter klar und warm, als habe jemand den Schleier der Melancholie von ihr genommen.
    «Jakob braucht mich. Er ist noch ein halbes Kind mit seinen achtzehn Jahren. Ich kann nicht mit dir gehen, aber ich bin glücklich, dass ich dich wiederhabe.»

10
    In den letzten Julitagen des Jahres 1625 näherten sie sich über Moorwiesen und dunkle Wälder der böhmischen Grenzstadt Eger, um sich dort mit den übrigen Regimentern von Wallensteins Heer zu vereinigen. Ihr Ziel würde das Niedersächsische sein, wo der bayerisch-kaiserliche Generalleutnant Tilly bereits unerbittlich und siegreich wider die aufständischen Protestantenvorging, gegen die Horden von Mansfeld, dem Tollen Halberstädter und dem böhmischen Großmaul Graf Thurn. Dennoch bedurfte der altgediente Feldherr ihrer Unterstützung, denn ein neuer, mächtiger Feind war auf der Bühne des Großen Krieges erschienen, den es von deutschem Boden zu verjagen galt: König Christian von Dänemark.
    Matthes und Gottfried konnten es kaum fassen: Was hier, entlang der Biegung des Flusses, als Lager aufgebaut war, stellte eine ganze Welt für sich dar! Dagegen war ihr Musterplatz im Fränkischen ein Dorf gewesen. Achtzehntausend Fußknechte und sechstausend Reiter sei das Heer jetzt stark, hatte ihr Feldweybel stolz erklärt, und in Bälde würde es das Doppelte umfassen. Und dieses mächtige, dieses unschlagbare Heer habe der Friedländer aus eigener Schatulle geschaffen und mit Waffen und Kleidung vorzüglich ausgestattet.
    Immer noch größer wurde das Lager. Von allen Seiten trafen Viehherden ein, Ochsengespanne mit Kartaunen und Feldschlangen, Marketenderinnen mit ihrem Kram, allerlei fahrendes Volk. Hunderte Bagage- und Proviantkarren, Kugel- und Pulverwagen hatten sich bereits in leidlicher Ordnung inmitten des Lagers aufgereiht, und es wurden stündlich mehr. Worte in allen Sprachen und Mundarten schwirrten durch die Luft. Unter dem Reitervolk entdeckte Matthes ungarische Husaren, kroatische Arkebusiere und polnische Ulanen. Zwischen den unzähligen Zelten und Laubhütten hängten Frauen ihre Wäsche auf, tobten Kinder um die Wette. Zunächst war Matthes dies ein befremdlicher Anblick. Aber ein alter Landsknecht, mit dem er sich vor einem provisorischen Ausschank bei einem Krug Bier darüber unterhielt, versicherte ihm glaubhaft, dass im Tross der Mansfeldischen jeden Tag drei Kinder geboren würden. Bagage und Tross schienen umfangreicher als die Truppen selbst, und Matthes schätzte, dass hier

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