Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
ein Mehrfaches an Menschen versammelt war, als Ravensburg Bewohner hatte.
    «Ich fürchte, wir werden uns hier mehr als einmal verirren», sagte er zu Gottfried, als sie nach einem ersten Rundgang vergeblich die Hütten ihres Fähnleins suchten.
    Gottfried lachte nur. «Und wenn schon. Bei den vielen hübschen Mädels hier wüsste ich mir die Zeit schon zu vertreiben. Hast du die dralle Blonde eben gesehen? Ich wette, die ist noch Jungfer.»
    Indes sollte ihnen schon vom nächsten Morgen an kaum noch Zeit bleiben, im Lager herumzustreunen. Waffen, Kleidung und Ausrüstung mussten auf Hochglanz gebracht werden, die Ankunft des Generalissimus stand unmittelbar bevor. Es hieß, er werde mit seinem Hofstaat in dem vor der Stadt gelegenen Schloss Großlahnstein weilen, wo er die Stille haben konnte, nach der er verlangte. Matthes war mehr als enttäuscht. Es hatte doch geheißen, der Wallensteiner liebe den gemeinen Soldaten mehr als jeden Offizier, als jede Hofschranze. Und nun verbarg er sich hinter dicken Mauern, fern von seinen Leuten.
    Drei Tage später war es so weit: Fanfarenstöße verkündeten, dass General Wallenstein, von Kaiser Ferdinand nunmehr zum Herzog von Friedland erhoben, aus Prag eingetroffen sei und die Truppen zu inspizieren wünsche. Matthes drängte sich in die vorderste Reihe, ohne auf die erbosten Knüffe seiner Kameraden zu achten, dann kam der Befehl zur Aufstellung im Geviert. Matthes hielt seine blank polierte, achtzehn Fuß hohe Pike in der Faust und zwang sich, den Blick geradeaus zu halten, wie de Parada es ihnen eingeschärft hatte.
    Endlich kam der Augenblick, den Matthes seit Wochen ersehnt hatte. Aus den Augenwinkeln sah er den berühmten Feldherrn heranreiten, auf einem glänzenden, hochbeinigen Rappen, von einer Kompanie Leibkürassieren flankiert. Er trug ein Gewand aus schwarz-goldenem Samt mit Spitzenkragen und roter Schärpe, das goldene Wehrgehänge war mit Edelsteinen besetzt. Der scharlachrote Umhang reichte bis zu den kniehohen Stulpenstiefeln,auch die Straußenfedern am Hut waren scharlachrot eingefärbt.
    Matthes suchte den Blick des Generalissimus, doch Wallensteins dunkle Augen wanderten mit gespannter Aufmerksamkeit über ihre Köpfe hinweg. Sein Gesicht war blass, der Kinnbart nach spanischer Art sorgfältig gestutzt und schwarz wie das kurz geschnittene Haar, wenngleich mit einem Stich ins Rötliche. Sein aufrechter Sitz, die schlanke, hochgewachsene Statur, der stolze Ausdruck seines Gesichts – all das verriet Wagemut und Kühnheit. In diesem Moment hätte Matthes sonst etwas darum gegeben, als Leibkürassier an seiner Seite zu reiten. Aber nun – er gehörte zu seinen Leuten, zu seinem Volk, und das musste fürs Erste genügen. Vorerst war dies auch die letzte Gelegenheit, den Friedländer zu Gesicht zu bekommen. Ob sich Wallenstein im Lager aufhielt, war fortan nur an seiner Leibwache erkennbar, die dann den Platz rund um die Zelte der Heeresleitung weitläufig abschirmte.
    Für die einfachen Fußknechte waren die nächsten Tage und Wochen angefüllt mit Waffen- und Leibesübungen, und ihre Ungeduld, endlich in den Norden zu ziehen und sich dem Feind entgegenzuwerfen, wuchs. Was Matthes in diesen Wochen ganz nebenbei lernte, war das Zutrinken, das mitunter bis zur Besinnungslosigkeit ging. Denn nach und nach blieb ihnen immer mehr freie Zeit, die sie anfangs an den Würfeltischen vor der Hauptwache, dann bei einer der Marketenderinnen verbrachten, einem unflätigen Weib, das indessen eine bildschöne blondgelockte Tochter hatte. Auf die nun hatte Gottfried ein Auge geworfen, und so zogen sie fast täglich vor den Ausschank der Alten, wo Gottfried mit anderen Söldnern um die Gunst der Schönen buhlte und Bier um Bier in sich hineinschüttete. Auch auf Matthes’ Kerbholz fügte sich ein Strich zum nächsten; schon zum Monatsende war sein halber Sold weg. Er, der in seinem Leben nie mehr als ein, zwei Schoppen Wein oder einen KrugDünnbier getrunken hatte, kotzte sich anfangs schier die Seele aus dem Leib, bis er schließlich bei diesen Saufgelagen so gut mithalten konnte wie ein Altgedienter.
    Weiber gab es mehr als genug im Tross, alte und junge, die sich gegen ein kleines Geschenk den Soldaten anboten. Weil Matthes diese Art von Diensten stets zurückwies, musste er nicht wenig Spott von Seiten seines Freundes ertragen. Lediglich eine kleine Schwarzhaarige namens Josefa hatte es ihm angetan, die, wie es Mode unter den Mädchen hier im Lager war, einen

Weitere Kostenlose Bücher