Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
brauchten, da sie keinen Sold zu Gesicht bekämen, und überfielen daher jedes Dorf am Wegesrand, um gnadenlos zu sengen und zu brennen.
Gott helfe denen, wo Mansfeld hinkommt
– das war selbst im Württembergischen zu einem geflügelten Wort geworden. Im Stift Köln, hieß es, hätten seine Söldner den Bauern, die nichts mehr zu geben hatten, Nasen und Ohren abgeschnitten und zu Wurst verhackt. Einen anderen hätten sie auf einen Spieß gebunden und über dem Feuer langsam wie ein Kalb rösten lassen, unter den Augen von Frau und Kindern.
    Von all diesen Gräueln war auf ihrer Reise nichts zu sehen gewesen. Zwar war ihr aufgefallen, wie misstrauisch die Menschen inzwischen Fremden gegenüber auftraten, hin und wieder waren sie vorsichtshalber durchziehenden Soldaten ausgewichen. Doch nun waren sie fast am Ziel angelangt, gesund und unbehelligt. Natürlich taten ihr von dem tagelangen Ritt alle Knochen weh, aber insgesamt hatte sie sich erstaunlich gut gehalten. Dass sie inihrer Kindheit bei den Gauklern schon früh ans Reiten gewöhnt worden war, trug also immer noch Früchte.
    In der Ferne erkannte sie die Benediktinerabtei Weingarten. Noch ein, zwei Wegstunden, und sie würde zum ersten Mal seit über vier Jahren wieder ihre Heimatstadt betreten. Agnes blickte auf ihren wortkargen Begleiter neben sich, einen Hünen aus Mömpelgard, der kaum zu verstehen war. Er gehörte zu den herzoglichen Jägern und konnte dem Vernehmen nach mit der Büchse umgehen wie kaum ein anderer. Neben dem Seitengewehr hingen an seinem Bandelier noch Pulverhorn und Kugelbeutel, Haudegen, Dolch und eine Terzerole, eine kleine Vorderladerpistole mit zwei Läufen. Allein der waffenstarrende Anblick des Jägers, dazu sein finsteres, vollbärtiges Gesicht ließen wohl jeden Schnapphahn von vornherein vor einem Überfall zurückschrecken.
    Agnes dachte an das Versprechen, das sie der Prinzessin gegeben hatte. Nachdem ihr Else die schlimme Nachricht vom Tod des Vaters überbracht hatte, war sie eine halbe Ewigkeit lang wie erstarrt mitten im Zimmer stehen geblieben. Dann, ganz plötzlich, war ihr ein Bild vor Augen getreten: wie ihr Vater sie einmal, nach einem Sturz von der Kirchentreppe, auf dem Rücken nach Hause getragen und ihr dabei die ganze Zeit das Lied vom tapferen Reitersmann vorgesungen hatte. Mit dieser Erinnerung hatte sie endlich zu weinen vermocht.
    «Du musst nach Ravensburg, heute noch», hatte Antonia daraufhin beschieden. «Deine Mutter braucht dich.»
    «Aber Ihre Durchlaucht, die Herzogin, wird das nicht erlauben. Jetzt, wo ich gerade erst meine Dienste bei Euch angetreten habe.»
    «Du gehst!»
    Wenn Antonia ihrem starken Willen Ausdruck gab, wirkte sie wie eine Erwachsene. «Und ich werde meinen Vater bitten, dir einen Trabanten aus seiner Leibgarde zum Schutz mitzugeben.»
    Agnes wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. «Sie meint es von Herzen gut, Prinzessin, aber ich bin doch gar nicht von Stand, dass man so viel Aufhebens um mich machen soll. Ich möchte nicht, dass seine Durchlaucht, der Herzog, davon erfährt.»
    «Nun gut. Dann werden wir das unter Frauen ausmachen», erwiderte Antonia mit der ganzen Altklugheit einer Zwölfjährigen. «Suchen wir meine Tante auf, Herzogin Anna. Sie hat stets die besten Einfälle. Denn Reisen kannst du auf keinen Fall allein, das ist zu gefährlich. Es wimmelt im Land von Soldaten. Mein Vater hat erst kürzlich auf Befehl des Kaisers Quartier und Musterplätze für über vierzigtausend Mann bereitstellen müssen – was hat er geflucht!»
    Dann legte sie die Stirn in Falten.
    «Kommst du wieder?»
    «Ganz gewiss.»
    Antonias Gesicht hellte sich auf. «Dann ist es das Beste, du lässt David in meiner Obhut.» Sie strich dem Jungen über den hellbraunen Haarschopf.
     
    Ihr Herz zog sich zusammen, als sie vor dem Frauentor absaßen und sich beim Torwächter meldeten. Als der Mann ihren Namen erfuhr, drückte er ihr mit umständlichen Worten sein Beileid über den Tod des Schulmeisters aus. Agnes fragte sich, was er wohl über sie wusste und ob ihre Flucht damals zum Stadtgespräch geworden war. Dann übergab sie ihrem Begleiter das Pferd, erklärte ihm den Weg zum Gasthaus, wo er sich und die Pferde einquartieren konnte, und schritt auf unsicheren Beinen das kurze Stück hinüber zu Liebfrauen. Die Häuser, die Straßenzüge, auch einige Gesichter kamen ihr bekannt vor, doch sie selbst fühlte sich fremd.
    Erst nach mehrmaligem Klopfen öffnete sich die Haustür. Die Mutter

Weitere Kostenlose Bücher