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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Jahren. An die dreißigtausend Opfer hatte sie gefordert, hatte in den Klöstern Schussenried und Zwiefalten nahezu den gesamten Konvent dahingerafft und war dann im nahen Esslingen ausgebrochen. Der Stuttgarter Magistrat hatte bereits Anweisung gegeben, jedes Haus mit Rauchpulver und Wacholderholz auszuräuchern, doch wie durch ein Wunder hatte der Schwarze Tod vor den Toren der Residenzstadt Halt gemacht.
    «Die ersten Hofmusikanten sind schon entlassen», fuhr Rudolf düster fort. «Als Nächstes soll das Personal der Schlossküche und der Hofgärtnerei verringert werden. Du glaubst nicht, was für eine Stimmung unter dem Gesinde herrscht. Zorn, Missgunst und Angst. Und du – du hattest immer schon Neider, vor allem unterden Mägden der Schlossküche. Da gibt es genug, die nie verstanden haben, warum das Glück ausgerechnet dich getroffen hat.»
    Agnes zuckte die Schultern. «Das schert mich nicht!»
    «Sollte es aber. Denn jetzt macht ganz böses Geschwätz die Runde. Du seiest gar nicht mit einem Offizier verheiratet, sondern mit einem fahrenden Sänger, der dich in Schande hat sitzen gelassen und obendrein angeklagt ist wegen betrügerischen Schwarzhandels. Die Gauklerin nennen sie dich!»
    Agnes’ Gesicht war kalt und abweisend geworden.
    «Und du? Was glaubst du?»
    «Ich weiß es nicht. Es ist mir auch vollkommen gleich. Ich weiß nur eines: Du solltest einen Mann an deiner Seite haben, sonst bist du all dem Gerede schutzlos ausgeliefert. Und wenn ich dir nicht ganz zuwider bin», er ergriff ihre Hände, «dann nimm mich. Ich bitte dich darum.»
    Jedem anderen Mann hätte sie bei diesem Ansinnen ins Gesicht gelacht. Doch in Rudolfs flehendem Blick erkannte sie, dass seine Sorge zuallererst ihr galt.
    «Es geht nicht; ich bin schon verheiratet.» Sie sah Rudolf offen ins Gesicht. «Die Leute haben Recht. Ich bin die Frau eines Gauklers und Betrügers. Ich frage mich nur, wer darauf gekommen ist.»
    «Das war Luise, die Spülmagd. Sie ist vor kurzem umgezogen und wohnt jetzt neben deiner Else. Da hat sie wohl dies und jenes aufgeschnappt. Hör zu, Agnes.» Rudolf flüsterte jetzt. «Dein Mann hat dich und das Kind sitzen lassen. Du bist allen Gerüchten, allen Verleumdungen schutzlos ausgeliefert. Ich könnte dir Papiere besorgen, die bestätigen, dass der Kerl tot ist. Damit wärst du eine ehrbare Witwe, und wir beide könnten heiraten. Und David hätte wieder einen Vater.»
    «Nein!»
    «Dann hängt dein Herz also noch immer an diesem Gaukler?»
    «Das ist es nicht.» Agnes war aufgesprungen. Sie musste sichzwingen, leise zu sprechen. «Aber du und ich – wir sind gute Freunde, sollten gute Freunde bleiben. Außerdem bin ich nicht schutzlos. Vielleicht hast du vergessen, dass ich in den Diensten von Prinzessin Antonia stehe, das ist wohl Schutz genug.»
    «Aber sie ist doch nur ein Kind. Außerdem ist sie nicht mehr die Tochter eines Herzogs, sondern nur noch eine von drei Schwestern des künftigen Regenten. Ich bitte dich, denk über meinen Vorschlag nach. Denn es könnte noch übler kommen.»
    «Wie meinst du das?»
    «Nun   –» Rudolf scharrte mit der Fußspitze zwischen den Dielenbrettern. «Heute habe ich im Treppenhaus zwei Mägde über dich reden hören. Dass du von der Spülküche ins herzogliche Frauenzimmer aufgestiegen seiest, ginge nicht mit rechten Dingen zu. Luise habe behauptet, du hättest mit einem geheimen Zauber das Fräulein von Württemberg verblendet. Deinen zauberischen Kräften sei sogar der junge Kronprinz einmal erlegen. Und – wie sonst könne so ein junges Ding klüger sein als jeder erwachsene Gelehrte.»
     
    Zwei Tage später traf Agnes im Ankleidezimmer auf eine äußerst bedrückte Antonia. Ihr sonst so fröhlicher Morgengruß war verhalten, und während ihr Agnes beim Anlegen des Kleides behilflich war, sprach die Prinzessin kein Wort.
    Sie traten hinüber ins Schlafgemach, wo sich Antonia an den Frisiertisch setzte und stumm ihr Bildnis im goldgerahmten Spiegel betrachtete.
    «Findest du mich eigentlich hässlich?», fragte sie schließlich.
    «Aber Prinzessin!» Agnes stellte sich neben sie und betrachtete ebenfalls das Gesicht im blank polierten Glas des Spiegels. Ihr war, als entdecke sie zum ersten Mal, dass aus dem Kind, dem sie im Lustgarten begegnet war, ein junges Mädchen geworden war. Antonia zählte jetzt fünfzehn Jahre. Zwar war sie, im Gegensatz zu ihren beiden jüngeren Schwestern, kräftig, fast stämmig,und die breite Stirn verriet deutlicher denn je

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