Die Gauklerin
vereinigen wollte. In nur zweiundzwanzig Tagen hatte Wallenstein sie bis nach Mähren gejagt, Mansfeld stets etliche Meilen voraus. Dort dann, bei Olmütz kreuzten sich endlich ihre Wege, doch nicht einmal dann kam es zur Schlacht, da der feige Mansfeld sich ihnen entzog. Also ging es weiter, Meile für Meile, durch steiles Gebirg und sumpfige Talauen, bis hinunter nach Levice in Oberungarn. Hunger, Ruhr und die Pest forderten unter Matthes’ Kameraden ihren Tribut, während Tilly in Norddeutschland einen Sieg nach dem anderen feierte. Und dann die Enttäuschung: Als Bethlen schließlich vor der Schlacht floh wie ein feiger Schneidergesell, war es schon Herbst, und sie schleppten sich zurück in den Norden, um in Mähren das Winterquartier einzurichten. Von den zwanzigtausend Mann, die aufgebrochen waren, hatten kaum fünftausend den Feldzug überlebt. Da war es ein schwacher Trost, dass auch Bethlen an der Wassersucht erkrankte und Mansfeld in der Nähe von Sarajewo an einem Blutsturz elend verreckte.
Diesen Gewaltmarsch würde Matthes nie vergessen, zumal er auch ihn fast das Leben gekostet hätte, wäre Gottfried nicht an seiner Seite gewesen. Das Fieber hatte ihm schon in den Knochengesteckt, als er mit letzter Kraft wieder Olmütz erreichte. Den ganzen Winter über hatte er im feuchten, zugigen Trockenraum einer Papiermühle auf seiner Strohschütte gelegen, von Fieberanfällen geschüttelt, bis ihn schließlich auch noch die Ruhr gepackt hatte. Der Feldscher hatte wochenlang seine Kunst versucht, um ihn dann achselzuckend dem Tod zu überlassen. Gottfried aber war nicht von seinem Lager gewichen, war den täglichen Saufgelagen der Kumpane ferngeblieben und hatte Mädchen Mädchen sein lassen. Stattdessen flößte er ihm Abend für Abend Wermutsud ein, erstand Zettel mit Segens- und Bannsprüchen und murmelte, zum ersten Mal wohl seit Jahren, wieder inbrünstige Gebete.
Was auch immer geholfen haben mochte – rechtzeitig zu ihrem Aufbruch im Frühjahr war Matthes wieder halbwegs auf die Beine gekommen. Er schämte sich, dass er sich als so schwach erwiesen hatte, und machte dafür auf ihrem Feldzug durch Deutschlands Norden mit halsbrecherischer Kühnheit alles wett. Einen dänischen Stützpunkt nach dem anderen eroberten sie unter Wallensteins Führung, das Gleiche taten weiter im Osten die Regimenter des Obersten von Arnim und des Grafen Schlick, Tilly hatte derweil die Küste frei gemacht. So war Deutschland, als der Kaisersohn in Prag zum böhmischen König gekrönt wurde, von den Alpen bis ans dänische Festland erobert und gezähmt.
Den Lohn für seinen Kampfesgeist hatte man Matthes nicht vorenthalten: Seit letztem Winter bezog er zwölf Gulden auf den Monat; er konnte sich einen Buben halten. Der reinigte ihm jetzt Waffen und Bandelier, während Matthes selbst hier in der warmen Abendsonne lag und die Ruhe vor dem Sturm genoss.
Hufgetrappel ertönte. Matthes hob den Kopf. Es war Gottfried, der inzwischen recht passabel im Sattel saß. Gleich am Tage nach seiner Unterredung mit Wallenstein, die ganz wider Erwarten erfolgreich war, hatte er dem Freund heimlich Reitunterricht gegeben, und zu seinem Erstaunen hatte sich Gottfried als überaus gelehriger Schüler erwiesen.
«He, du alter Bärenhäuter!»
Gottfried brachte sein Pferd aus dem Galopp zum Stehen und sprang aus dem Sattel.
«Liegst hier faul herum und lässt den Burschen für dich schuften.»
Matthes grinste. «Beschwer dich nicht. Um dein Zeug kümmert er sich genau so gut wie um meins. Wo warst du?»
Jetzt war es an Gottfried zu grinsen. «Beim Profos, du weißt schon.» Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. «Ich hab jetzt einen Passauer Zettel, mit echtem Fledermausblut geschrieben. Mein Mädel wird ihn heute Abend in meinen Rock einnähen. Pistole und Muskete habe ich auch weihen lassen.»
«Und damit glaubst du, in der Schlacht gegen die Dänen gefeit zu sein?» Matthes lachte laut auf. «Der Profos ist ein Scharlatan, der euch mit seiner angeblichen Schwarzkunst das Geld aus dem Beutel zieht. Außerdem: Gegen Silberkugeln und die Äxte der Bauern hilft ohnehin kein Zauber, das müsstest du wissen.»
«Klugscheißer. Dir würde ein schützender Zauber auch nicht schaden, so wie du dich hinter die feindlichen Linien wirfst.»
«Wie du siehst, lebe ich noch.» Matthes tastete nach seinem Amulett unter dem Kragen. So streng er es sich verbot, an seine Familie zu denken, so inbrünstig glaubte er doch an Jakobs Vermächtnis,
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