Die Gauklerin
Wallenstein.
Unsicher verbeugte er sich ein zweites Mal und blieb stehen.
«Komm doch näher.» Wallenstein erhob sich umständlich. Sein linkes Bein schien ihn zu schmerzen. «Du bist also Matthes Marx, der die Pulverwagen in die Luft gejagt hat.»
«Ja, Durchlauchtigster Fürst.»
«Wie alt bist du?»
«Zwanzig, Seine Durchlaucht.»
«Und du bist Lutheraner?»
Diese Frage hatte Matthes zuallerletzt erwartet, und so nickte er nur stumm.
«Dann erkläre mir, warum du als Lutheraner bei den Kaiserlichen kämpfst.»
Neugierig trat Johann von Aldringen näher, um nichts von der Antwort seines Söldners zu verpassen. Nach kurzem Zögern entgegnete Matthes schließlich: «Ich kämpfe nicht als Lutheraner gegen Lutheraner. Ich kämpfe für den Kaiser und für ein geeintes Reich Deutscher Nation. Und dann, Seine Durchlaucht», er blickte dem Friedländer geradewegs in die Augen und meinte so etwas wie Wohlwollen darin zu erkennen, «bin ich der festen Überzeugung, dass man im protestantischen Glauben leben und dennoch die katholische Kirche, welche die Mutterkirche ist, verehren kann – schließlich gehört auch unser Kaiser ihr an. Nurdie Calviner halte ich für gottlos, weil sie weder eine himmlische noch eine irdische Obrigkeit anerkennen.»
Der Generalissimus lachte. «Das gefällt mir, dass muss ich mir merken.»
Dann betrachtete er Matthes eingehend. «Du kannst mit Feuerwaffen umgehen und reitest wie der Teufel, habe ich gehört. Ich möchte, dass du zu meinen Dragonern wechselst. Gleich morgen wird dir der Rittmeister eines der Beutepferde zuteilen.»
«Habe Er vielen Dank, Seine Durchlaucht», stotterte Matthes.
Wallenstein legte die hohe Stirn in Falten. «Freust du dich nicht?»
«Doch, Seine Durchlaucht. Es ist nur –»
«Sprich dich aus, mein Junge. Und lass endlich dieses Durchlaucht, wir sind hier unter Soldaten.»
«Jawohl, mein General.» Matthes überlegte fieberhaft, wie er seine Vorbehalte erklären sollte. Schließlich entschied er sich für die Wahrheit.
«Mein bester Freund ist in meinem Fähnlein, wir haben uns zusammen werben lassen. Und ihn möchte ich nicht verlieren.»
«Da hast du Recht. Gute Freunde sollte man sich bewahren. Und wenn ich dich nun dennoch bei meinen Dragonern will?»
Matthes wusste selbst nicht, woher er plötzlich seinen Mut nahm, denn er war überzeugt, dass Wallenstein, der Fürst und oberste Feldherr des Kaisers, seine Bitte ungeheuer dreist finden musste.
«Dann ersuche ich Euch untertänigst, meinen Freund Gottfried Gessler ebenfalls bei den Dragonern aufzunehmen.»
Wallenstein biss sich auf die Lippen. «Nun – was hätte ich für einen Vorteil davon?»
«Er denkt wie ich und ist ein hervorragender Schütze, ein besserer als ich. Außerdem hat er Schneid – er hat mitten im Kampf eine Standarte der Mansfeldischen erbeutet.»
Der Feldherr verzog seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Matthes war indessen noch nicht fertig. Auf die Gefahr hin, bei seinem General auf ewig in Ungnade zu fallen, fügte er hinzu: «Ohne meinen Freund, verzeiht mir, möchte ich lieber einfacher Fußknecht bleiben.»
«Oder aber» – Wallenstein lachte laut auf – «deiner Laufbahn als Soldat ein Ende setzen.»
Zweites Buch
Schlachtendonner
(August 1628 – November 1631)
12
Unter den getragenen Klängen der Hofkapelle setzte sich die Menschenmasse vor dem Schloss in Bewegung. Angeführt wurde der Trauerzug von den Fahnenträgern, die die Flaggen von Württemberg, Teck und Mömpelgard, das Reichssturmbanner und die Klagefahne empor hielten, dann folgte der mit schwarzem Samt bedeckte Sarg, dem das Herzogsschwert Eberhards im Barte vorangetragen wurde, und die Herzogsfamilie. Dahinter schließlich schritten die geladenen Trauergäste, flankiert von edlen Pferden, die die Wappendecken der jeweiligen Herrschaften trugen.
Agnes und David reihten sich ein in die Schar der Diener, Mägde und Lakaien, dann schlossen sich die Stuttgarter an. Keiner blieb der Prozession zur Stiftskirche fern. Die Werkstätten, Verkaufsbuden und nahezu alle Häuser lagen verlassen, die Stadttore waren geschlossen, die Felder und Weingärten ringsum verwaist. Selbst Else und Melchert zogen gemessenen Schrittes mit, obschon sie sonst für höfische Spektakel nur Spott übrig hatten.
Agnes versuchte zwischen den Menschen um sie herum nach vorne zu spähen. Wie in diesem Moment wohl der Prinzessin zu Mute war, die mit ihren Geschwistern und der HerzogswitweBarbara Sophia unmittelbar
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