Die Gauklerin
«Noch eine Widersetzlichkeit, und ich hole den Profos! Keiner von euch verlässt heute Nacht sein Lager.»
Der Rottenmeister beeilte sich, seine Leute in den Stall zu treiben.
«Seid Ihr verletzt?» Matthes half dem Furier auf die Beine.
«Geht schon.» Der Alte rieb sich den Nacken. Dann stieß er mit dem Fuß gegen seinen Angreifer, der mit geschlossenen Augen und blutender Schläfe im Matsch lag. «Aber dem Lumpen da habt Ihr anständig zugesetzt. Der braucht entweder einen Feldscher oder einen Pfarrer.»
«Ach was, der doch nicht.»
Matthes stieß einen grellen Pfiff aus. Aus dem Stall neben der Mühle kam sein Reiterbub angetrabt.
«Los, legen wir ihn in den Schafstall. Und du», wies er den Jungen an, «du verbindest ihn. Dass der Kerl morgen wieder auf den Beinen ist.»
Als er die warme Stube betrat, schmutzig und nass bis auf die Haut, saßen die anderen bei fröhlichem Saufgelage um den Tisch. Der Krabat winkte ihn heran.
«Sauber, Marx. Legst dich ja mächtig ins Zeug für die Disziplin der Truppe. Komm neben den Ofen und trink mit uns. Hast es dir verdient.»
Matthes warf dem Quartiermeister, der feist und behäbig in der Ecke saß, einen finsteren Blick zu. «Eigentlich wäre es deine Aufgabe gewesen, die Quartiernahme zu überwachen. Was ist mit der Furage?»
«Wir haben nur noch Zwieback, und den kriegen die Leute morgen.»
«Derweil du dir hier den Ranzen voll schlägst mit Bier, Brot und Käse.»
Matthes merkte, wie er versucht war, seinen Ärger am Quartiermeister auszulassen, nur weil der im Rang unter ihm stand.
«Oh! Folge der Herr nur seinen Christenpflichten!», brauste der Dicke auf. «Hole Er das Volk doch herein in die gute Stube, alle miteinander.»
«Na, na, wir wollen doch nicht streiten.» Der Krabat drückte Matthes einen Becher Bier in die Hand. «Wo ist dieser Hitzkopf überhaupt? Hast du ihn erschlagen?»
«Natürlich nicht. Er liegt im Schafstall, bei den anderen.»
«Dann lass ihn herholen. Und du», rief er seinem Knecht zu, der unterm Fenster hockte, «bring die Eisen vom Bagagewagen.»
«Was habt Ihr vor?»
«Wirst du schon sehen.»
Kurz darauf war der Anführer in Eisen gelegt und draußen an die Hauswand gekettet, der nasskalten Nacht schutzlos ausgeliefert.
Matthes sah aus dem Fenster. «Er wird sich den Tod holen!»
«Der Scheißkerl hat das Dach überm Kopf nicht verdient. Das war Meuterei, was er getan hat. Dafür gehört er eigentlich an den nächsten Baum geknüpft.»
«Ihr übertreibt. Die Männer sind durch die Belagerung gereizt und ausgehungert, das ist alles. Außerdem ist es Sache des Profos zu strafen.»
«Sitzt hier irgendwo der Profos? Na also. Betrachte es als Vorsichtsmaßnahme. Nicht dass der Bursche noch Schlimmeres anrichtet.»
«Dann gebt ihm wenigstens seinen Mantel.»
«Schluss jetzt!» Der Rittmeister kniff die Augen zusammen, seine schwarzen Brauen wurden zu einem einzigen Strich. «Ich dulde keinen Widerspruch. Oder willst du deinem Freund Gesellschaft leisten?»
Matthes biss sich auf die Lippen. Gegen den Krabat konnte er nichts ausrichten; der Hauptmann war hier, in diesem gottverlassenen Dorf, der höchste Befehlshaber. Hastig trank er sein Bier aus und fragte, welche Schlafplätze im Haus ausgewiesen seien.
«Sucht es Euch aus», entgegnete der Quartiermeister. «Alle Kammern stehen uns offen.»
«Und wo ist der Müller?»
Der Krabat lachte laut auf. «Spurlos verschwunden. Leider, leider – denn er hat zwei bildschöne Töchter, wie ich gerade noch erkennen konnte, bevor die Bande auf und davon ist. Das wäre ein angenehmer Zeitvertreib gewesen.»
Es war stets das Gleiche. Nur selten ließ man den unfreiwilligen Quartiergebern eine Kammer übrig. Meist mussten sie, ob Greise, Kranke oder Kleinkinder, mit Keller und Dachboden vorlieb nehmen und auf dem blanken Boden lagern, bis die kriegerischen Scharen weiterzogen. Im schlimmsten Fall, wenn junge Mädchen im Hause waren wie hier, flüchteten die Bewohner, versteckten sich in nahen Wäldern, Scheunen oder Höhlen. Matthes war das jedes Mal zuwider.
Er nahm eine Tranlampe vom Haken und verabschiedete sich.
«Was soll das, Marx?», rief einer der Feldweybel. «Jetzt kommt das Allerbeste. Eben haben wir ein Fässchen Branntwein entdeckt.»
Matthes schüttelte den Kopf. «Ich bin müde.»
«Das Allerbeste für unseren Hagestolz wär ein Weib», rief ein anderer, und alle lachten.
«Selbst das tät er nicht anrühren. Unser junger Wachtmeister wird von Tag zu Tag
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