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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihrem Sohn nach draußen zu folgen. Ein wenig frische Luft würde ihr gut tun.
     
    Nur drei Wochen später braute sich das Wetter finsterer denn je über dem Herzogtum zusammen: Die Wiener Kanzlei ließ ganz unvermittelt mitteilen, der Kaiser werde eher Krone und Reich aufs Spiel setzen, als vom publizierten Edikt zu weichen. Zur Erwirkung der Restitution stünde der kaiserliche General Wallenstein mit seinen gesamten Truppen bereit.

15
    Matthes beobachtete den Furier, wie der mit grimmigem Gesicht von Rottenmeister zu Rottenmeister schritt und die Messer in seinem Hut auffing. Das Wasser troff dem Alten in den Kragen, von Zeit zu Zeit stieß er böse Flüche aus über den strömenden Regen und die Undankbarkeit der Soldaten.
    Sie waren auf halbem Wege nach Halberstadt, ins Hauptquartier von Wallenstein, wohin der Generalissimus sie von Magdeburg zurückbeordert hatte. Zwei Monate lang hatten sie unter dem Oberbefehl des Freiherrn von Aldringen die erzlutherische Stadt an der Elbe belagert, da der Magistrat sich geweigert hatte, eine kaiserliche Garnison aufzunehmen und hundertfünfzigtausend Taler Kontribution zu bezahlen. Dann, gänzlich überraschend, hatte Wallenstein in einem großzügigen Gnadenakt auf Geld und Besatzung verzichtet und sogar versprochen, den Religionsfrieden zu wahren und Handel wie Privilegien der Stadt zu schützen, sofern die Magdeburger Bürger im Gehorsam gegen den Kaiser zu verharren gedächten.
    Der plötzliche Wolkenbruch nun hatte sie gezwungen, vorzeitig Quartier zu suchen, und so standen sie hier am Rande dieses elenden Weilers mit seiner Handvoll schäbiger Hütten – zwei Kompanien des Dragonerregiments, knapp zweihundert Mann mitsamt Pferden, Reiterbuben und Ausrüstungen. Was für ein Drecksnest; nicht einmal eine Dorfkirche fand sich hier, die Raum für ein größeres Nachtlager geboten hätte. Der Tross und die anderen Kompanien hatten sich bereits auf den umliegenden Gutshöfen einquartiert, doch ihr Rittmeister hatte gehofft, bis Oschersleben zu gelangen, um die Vorzüge städtischer Bequemlichkeit zu genießen. Nun war kein Fortkommen mehr möglich, und die Soldaten beschwerten sich lautstark über diesen miserablen Ort.
    Vor der herbstlichen Kälte hätte sich Matthes gern ins Hausdes Getreidemüllers zurückgezogen, das einzige einigermaßen stattliche Gebäude, wo sich der Krabat und die anderen Offiziere bereits am Ofen wärmten. Doch er sah es als seine Pflicht, die Verteilung der Unterkünfte zu überwachen. Als der letzte Rottenführer sein Messer abgeliefert hatte, ging der Furier von Haus zu Haus und schleuderte die Klingen, wie sie ihm zur Hand kamen, in die Türpfosten. Ihm folgten die einzelnen Rotten auf der Suche nach dem Messer ihres Meisters und dem ihnen damit zugewiesenen Schlafplatz. Ohne Murren ging das nicht ab, doch als das letzte Messer im Pfosten eines verfallenen Schafstalles steckte, kam es zu einem richtigen Tumult.
    «In dieses Drecksloch geh ich nicht!» Ein Hüne mit fettigem schwarzen Haar, das ihm auf französisch in zwei langen Zöpfen auf die Schultern fiel, stampfte wütend auf, dass das dreckige Pfützenwasser in alle Richtungen spritzte.
    «Halt’s Maul, oder du liegst heut Nacht im nassen Gras», zischte der Furier.
    «Das werden wir ja sehen.»
    Mit einem Ruck zog der Söldner das Messer aus dem Holz und schleuderte es hinter sich auf die Weide.
    «Na warte, du Schelm.» Der Alte versetzte ihm einen gut gezielten Faustschlag gegen die Kinnlade, der den Hünen allerdings nur kurz straucheln ließ. Zwei andere stürzten sich auf den Furier, Matthes und der Rottenmeister sprangen dazwischen. Doch es war zu spät. Eine wüste Prügelei geriet in Gange, wild schlugen die Männer um sich und ließen den aufgestauten Grimm über die üble Verpflegung und den seit Wochen ausstehenden Sold hinaus. Vergebens suchte Matthes die Männer zu beruhigen, doch seine Rufe, sie würden ihr Geld im nahen Halberstadt erhalten und sollten jetzt Ruhe geben, brachten ihm selbst heftige Schläge ein. Aus den Augenwinkeln sah er ihren Rittmeister in der Tür zum Müllerhaus stehen, grinsend, den Bierkrug in der Hand.
    Du kroatischer Pfefferlecker, dachte Matthes, lässt mich wiederdie Drecksarbeit machen. Geschickt wich er einem Faustschlag des Hünen aus, dann brach er eine Latte aus dem Stalltor und ließ sie auf den Schädel seines Gegners krachen. Lautlos sackte der in sich zusammen. Im nächsten Augenblick war Ruhe.
    Matthes ließ den Prügel fallen.

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