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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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gemeinsame Musizieren. Sybilla hatte sich sogar, wenn auch in kindlicher Schwärmerei, in den Sohn des Kapellmeisters verguckt. Der war dann auch umgehend an den fernen Wiener Kaiserhof verschickt worden, um Schlimmeres zu verhüten.
     
    Ende August, nach hartnäckigen diplomatischen Bemühungen von Seiten Löfflers, verfügte Kaiser Ferdinand für Württemberg tatsächlich die Einstellung der Klosterangelegenheit. Herzogin Barbara Sophia und ihre Schwägerin Anna gaben ein kleines Freudenbankett, in engstem Kreise und wohlweislich hinter desHerzog-Administrators Rücken. Rudolf und Agnes schleppten mit Hilfe der Küchenmägde Platten über Platten ins Musikzimmer, wo eine festliche kleine Tafel gerichtet war. Nachdem sie aufgetragen hatten, bat Barbara Sophia sie an die freien Plätze am unteren Ende der Tafel.
    Rudolf zwinkerte Agnes zu. «Wir rücken zusammen, ist das nicht schön?», flüsterte er so laut, dass es die herzoglichen Damen eben noch hören konnten, und Agnes fragte sich, ob er damit sie beide oder die Tischgesellschaft meinte.
    Herzogin Anna lächelte. «Eine treue Dienerschaft darf man sich nicht vergraulen, schon gar nicht in schlechten Zeiten. Und nun erhebt euer Glas, ihr beiden. Auf unser schönes Württemberg!»
    «Auf Württemberg!»
    Agnes stieg der schwere Rote angenehm zu Kopf. Für diesen einen Nachmittag vergaßen sie alle ihre Sorgen, und selbst Herzogin Anna, die seit dem Tod ihres Bruders ein wenig seltsam und eigenbrötlerisch geworden war, beteiligte sich in fröhlicher Stimmung an den Plaudereien. Dann lauschten sie Sybilla, die sich nach dem Essen ans Clavichord gesetzt hatte und nun hingebungsvoll aus der «Parthenia» spielte, die die Werke berühmter englischer Komponisten enthielt. Irgendwann legte Rudolf den Arm um Agnes’ Schultern, und die ließ es sich zur Abwechslung einmal gern gefallen.
    Am Abend, als Rudolf sie zu ihrer Kammer brachte, fing ein Sendbote sie ab. Er überbrachte ein Schreiben aus Ravensburg.
    Agnes wurde heiß und kalt. Sie gab ihrem Freund einen flüchtigen Kuss auf die Wange, zog die Tür hinter sich zu, erbrach hastig Siegel und Umschlag und begann noch im Stehen zu lesen.
    Ravensburg, den 10.   Juni
    anno Domini 1629
     
    Meine geliebte Tochter!
    Wie groß ist jedes Mal meine Freude, von dir und dem kleinen David zu hören und zu wissen, dass ihr gesund und wohlbehalten seid! Besonders freut mich, dass David das Lernen in der Knabenschule so leicht fällt – dein Vater wäre stolz auf ihn. Auch hier in Ravensburg ist das Leben schwieriger geworden, doch ich will nicht klagen, denn Jakob ist fleißig und sparsam, und so kommen wir gut über die Runden. Auch sind wir von Einquartierungen in der Stadt bislang verschont geblieben, und so dürfen wir uns hinter unseren festen Mauern doch recht sicher fühlen.
    Du bittest mich in deinen Briefen, nach Stuttgart umzusiedeln. So liebend gern ich deinen Sohn heranwachsen sehen würde, ihn als gute Großmutter umsorgen möchte; es bleibt mir doch nichts anderes, als dies aus der Ferne zu tun. Denn um meine Gesundheit ist es nicht zum Besten bestellt, und einen alten Baum pflanzt man nicht mehr um. Doch vertraue ich auf bessere Zeiten, in denen wir wieder beieinander sein werden.
    In deinem letzten Schreiben hast du einen jungen Mann erwähnt, mit Namen Rudolf, und zwischen den Zeilen lese ich, dass du ihm wohl gewogen bist. Liebe Agnes, nimm diesmal wenigstens einen Rat deiner Mutter an: Unsere Kirche lässt Scheidungen zu, in einem Fall wie dem deinen allemal. Wenn dieser Rudolf ein ehrlicher Mensch ist, ein getreulicher Freund, nimm ihn zum Mann. Ich spreche aus eigener Erfahrung als Witwe – wie rasch ist man da Anfeindungen ausgesetzt. Und wenn du keine glühende Liebe zu Rudolf empfindest, so ist doch Freundschaft die weitaus fruchtbarere Grundlage für eine zufriedene Ehe und allemal besser als kindisch unbesonnene Herzensregungen. Wohin die führen, hast du erlebt. Ihr Jungen glaubt, ihr würdet das Leben neu erfinden, doch nicht umsonst steht in der Bibel, man soll den Alten folgen, sowohl im Tod, als wenn sie noch leben.
    Das Schreiben fällt mir schwer, da mein Augenlicht schwach geworden ist, und so überlasse ich die weiteren Zeilen deinem Bruder Jakob. Ich umarme dich und den kleinen David mit meinen innigsten Wünschen.
    Gott segne dich, deine dich liebende Mutter.
     
    Liebste Agnes!
    Wir sind wohlauf und genießen die sommerliche Wärme. Mit der Medizin mache ich rechte Fortschritte. Doctor

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