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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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mit den Offizieren für eine Nacht oder mehr herumpoussierten, nicht selten sogar ihr Herz verloren, nur um dann beim Abschied weggeworfen zu werden wie ein fauliger Apfel. Ausgerechnet dem Krabat flogen die meisten Mädchenherzen zu, und ausgerechnet er stieß die Frauen, wenn alles vorbei war, am unbarmherzigsten von sich. Wollte eine gar mit ihm ziehen, war er imstande, sie sich mit Schlägen vom Leib zu halten.
    Endlich schlief Matthes ein. Im Traum erschien ihm seine Mutter, die im Schlachtengetümmel auftauchte und ihn bei der Hand nahm wie ein kleines Kind. Dann träumte er von Kaspar, der mit zerfetztem Bein am Boden lag und ihn um Hilfe anflehte. Dabei war er dem Sänger seit damals in Eger nie wieder begegnet.
    Im Morgengrauen erwachte er von Geschrei und Getöse. Neben ihm hatte sich der Quartiermeister im Bett breit gemacht und schnarchte ungerührt weiter. Der Lärm kam von draußen. Holz splitterte, dann ertönte ein unterdrückter Schmerzensschrei. Matthes sprang auf, zog sich rasch etwas über und rannte die Stiege hinab.
    Im Morast des Dorfplatzes stand ein Eselskarren, beladen mit Kisten und Fässern. Dutzende von Söldnern liefen zwischen den Hütten der Dorfbewohner hin und her, schleppten hier Brotlaibe, dort flatternde Hühner heraus. Ein alter Mann, der sich schützend vor seine Haustür stellte, wurde mit einem Faustschlag niedergestreckt, ein Junge kauerte weinend am Boden und hielt sich das blutende Knie. Frauen kreischten, Soldaten fluchten. Das Dorf war in heillosem Aufruhr, ein einziges Jammern und Wehklagen. Da entdeckte Matthes hinter dem Eselskarren einen Gefreiten seiner Kompanie, der ein Mädchen im Arm hielt und zum Kuss zwingen wollte. Er rannte hinüber, entriss dem Soldaten das Mädchen und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.In diesem Moment tauchte im Türrahmen der Mühle sein Rittmeister auf. Verschlafen rieb er sich die Augen und gähnte.
    «Wollt Ihr nicht einschreiten?», schrie Matthes hinüber.
    Der Krabat zuckte die Schultern. «Der Wehrstand soll leben, der Nährstand soll geben! So ist das im Krieg.»
    Die kalte Wut packte Matthes. Das Kriegsrecht besagte, dass Frauen, Kinder, Kranke und Greise unter allen Umständen zu schonen seien, selbst wenn sie sich dem Einzug von Furage und kriegsnotwendigen Gerätschaften widersetzten. Und diese armen Leute hatten schon genug geben müssen.
    «Das ist Plünderei! Ich werde in Halberstadt Meldung erstatten.»
    «Tu, was du nicht lassen kannst.» Der Krabat schnallte sich den Degen um. «Da soll mir bloß einer dumm kommen! Hätte der Friedländer sich mehr ins Zeug gelegt, dass die Proviantlieferung rechtzeitig eintrifft, müssten sich unsere Männer jetzt nicht selbst um ihren Fraß kümmern.»
    Ohne Eile schlenderte er zu dem Karren und reckte seinen Degen in die Luft.
    «Das reicht!», brüllte er. «Dem Nächsten, der hier noch was anschleppt, steck ich die Klinge in den Hals. Und jetzt fertig machen zum Aufbruch.»
    Eine Stunde später rückten sie aus.
    «Was ist mit dem Gefangenen? Wollt Ihr ihn nicht vom Eisen nehmen?», fragte Matthes. «Der Mann hat hohes Fieber.»
    Der Rittmeister schüttelte den Kopf. «Der bleibt hier. Soll nachkommen, wenn er wieder auf den Beinen ist. Wir haben einen strengen Marsch vor uns und können keinen Kranken brauchen.»
    «Die Dorfleute werden ihn erschlagen wie einen Hund.»
    «Das ist nicht unser Brot.»
    Matthes beschloss, in Halberstadt um Versetzung zu einer anderen Kompanie zu bitten.
    Wind und Regen hatten nachgelassen, und so kamen sie zügig voran. Noch vor Sonnenuntergang erreichten sie den alten Bischofssitz am Eingang zum Harz. Der Obristquartiermeister verteilte die Söldner des eingetroffenen Regiments auf die umliegenden Dörfer, Matthes begab sich mit den anderen Wachtmeistern in ein Bürgerhaus am Markt. Gleich am nächsten Morgen schickte er seinen Corporal zu Wallenstein, eine Audienz zu erbitten. Vergeblich.
    «Der Generalissimus liegt krank darnieder, mit offenem Bein und Magenschmerzen», berichtete Carl, ein lustiger Bursche aus dem vorderösterreichischen Kenzingen. «Sein Leibdiener hat mich gar nicht erst vorgelassen. Der Alte hat wohl wieder seinen Grant. Ich hab ihn durch die angelehnte Tür toben hören, wegen der ausgebliebenen Proviantlieferungen. Hundsfötter! Bärenhäuter! Kujonen! hatte er gebrüllt und mit der Faust auf seinen schönen Hut eingedroschen. Dann hat mich der Diener weggejagt, wir sollten uns mit unseren Belangen gefälligst an

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