Die Gauklerin
Graf von Isolani wenden, der sei schließlich Obrist der Reiterei.»
Matthes mochte es nicht, wenn in solcher Weise von Wallenstein gesprochen wurde, doch seinem Corporal sah er es nach, war der doch trotz seines losen Mundwerks aufrichtig und loyal.
«Ich danke dir, Carl.»
«Soll ich bei Isolani vorsprechen?»
«Nicht nötig. Warten wir, bis sich die Gemüter beruhigt haben.»
«Das kann dauern. Ich hab nämlich drüben im Palais eine Neuigkeit aufgeschnappt, die gewiss die Ursache ist für die üble Laune des Generalissimus. Der Kaiser hat Truppen angefordert für zwei Feldzüge. Den einen nach den Niederlanden, den anderen nach Italien, gegen den Herzog von Mantua. Und zwar unverzüglich.»
«Das ist doch Irrsinn! Der Winter steht vor der Tür. Schonjetzt kommt man kaum über den Sankt Gotthard. Spricht man davon, welche Truppen betroffen sind?»
Carl schüttelte seinen blonden Lockenkopf. «Nein.»
«Dann hoffen wir, dass das nur eine dieser dummen Latrinenparolen ist.»
Wenige Tage später indes wurde der Italienfeldzug zur Gewissheit. Da sich Wallensteins Gesundheitszustand nicht besserte und sein Arzt ihm für das Frühjahr dringend eine Kur in Karlsbad anbefahl, übergab er den Oberbefehl widerstrebend seinem Generalleutnant Collalto und beorderte ihn mit den Obristen Aldringen und Gallas gen Mantua, mit einem Heer von achtundzwanzigtausend Fußknechten und siebentausend Reitern.
Matthes atmete auf, als er erfuhr, dass an ihren Dragonern der Kelch noch einmal vorübergegangen war. Er war lange genug Soldat, um zu wissen, welche Verluste eine solche Unternehmung mit sich bringen würde. Und dass die welschen Obristen sich dafür anerboten hatten, wunderte ihn nicht, erhofften sie sich doch fette Beute im Land ihrer Herkunft.
Sein Begehr, unter einen anderen Hauptmann zu wechseln, erfüllte sich dann auf gänzlich unerwartete Weise: Eines Nachts, nach einem Stelldichein mit einer Hübschlerin auf freiem Felde, verirrte sich der sturzbesoffene Rittmeister in der Dunkelheit, stolperte in den Goldbach und wurde von dessen spärlichen Fluten auf Nimmerwiedersehen mitgerissen. Nur ein Stiefel und die rote Schärpe, die sich im Ufergestrüpp verhangen hatten, blieben der Nachwelt erhalten. Matthes weinte dem Krabat keine Träne nach, zumal sich rasch Ersatz für ihn fand – kein Geringerer als Hauptmann Batista de Parada, der Napolitaner mit den traurigen Augen.
Im Spätherbst wurde Matthes’ Regiment mit anderen Teilen des kaiserlichen Heeres an die Weser befohlen. Dort würden sie Winterquartier nehmen und bereit stehen für einen gegebenen Nachschub in den Süden oder, sofern es der Kaiser befahl, indie spanischen Niederlande. Doch schon im Februar wurden sie, Figuren auf einem Schachbrett gleich, wieder abgezogen ins Fränkische, um näher an Italien zu stehen, derweil sich Wallenstein mit seinem Hofstaat nach Böhmen zurückgezogen hatte. Es schien, als ob der Fürst von Friedland des Kämpfens müde war.
16
Der Abendwind wehte süßen Rosenduft vom Gartenpavillon herüber. Agnes stellte ihren Korb in die nächste Reihe der Blumenrabatte und richtete sich auf.
«Warte, ich helfe dir.»
Durch die Mauerpforte kam Franz auf sie zu, in der Hand eine Hacke.
«Das ist lieb.»
Gemeinsam lockerten sie die trockene Erde zwischen den reich blühenden Violen, Maßliebchen und Beetrosen und entfernten die verdorrten Blütenblätter. Agnes mochte es, wenn Franz ihr Gesellschaft leistete. Der Junge war stets guter Laune, schwatzte viel, aber nicht zu viel, und er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihr nach Feierabend zur Hand zu gehen. Gewöhnlich arbeitete er drüben im Lustgarten, aber der Name passte nicht mehr so recht, da inzwischen nur noch die Gemüse- und Kräuterbeete gepflegt wurden. Als Agnes und die Prinzessin beschlossen hatten, wenigstens den ‹Garten der Herzogin› nicht der Verwahrlosung zu überlassen, und sie sich dort um die Blumen kümmerten, wann immer sie Zeit fanden, hatte er sogleich seine Hilfe angeboten. Er war es auch gewesen, der im Frühjahr die Wasserleitungen wieder instand gesetzt hatte, die jetzt, in diesem trockenen, heißen Frühsommer, den Beeten zu ihrer Blütenpracht verhalfen.
Heute wirkte Franz bedrückt.
«Was ist mit dir?», fragte Agnes, nachdem der Junge eine Weile stumm neben ihr gearbeitet hatte.
«Hast du nicht davon gehört? Wallenstein lässt ein riesiges Heerlager errichten, in Oberschwaben. Er hat wohl Befehl, ins Herzogtum einzurücken, um die
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