Die Gauklerin
Rückgabe unserer Klostergüter mit Waffengewalt durchzuführen.»
«Wallenstein? In Oberschwaben?» Agnes sah ihn erschreckt an. «Weißt du, wo genau?»
«Nein. Ich weiß nur, dass jetzt höchste Zeit ist zu kämpfen. Wir Protestanten dürfen uns nicht länger zur Schlachtbank führen lassen wie die Osterlämmer. Ich begreife nicht», er senkte die Stimme, «warum unser Regent noch immer an der Neutralität festhält.»
«Weil er den Frieden bewahren will, Franz.»
Das schmale, bartlose Gesicht des jungen Gärtnerknechts nahm einen verächtlichen Ausdruck an. «Auf einen Frieden, bei dem uns das halbe Land mit Gewalt genommen wird, pfeife ich. Wenn das stimmt mit Wallensteins Einmarsch, dann halten mich hier keine zehn Pferde mehr.»
«Was willst du damit sagen?»
«Dass ich mich Konrad Widerhold anschließe. Das ist einer der wenigen echten Männer, die wir in Württemberg haben. Oder ich geh gleich zu den Hessischen.»
Agnes schüttelte den Kopf. «Ach Franz. Dass ihr jungen Männer immer dem Krieg hinterher rennt! Warum willst du Hacke mit Muskete tauschen? Wir müssen jetzt erst einmal abwarten und hoffen. Bislang haben sich die Drohungen des Kaisers doch noch jedes Mal als heiße Luft herausgestellt.»
Aber die Unruhe über diese Nachricht, die Furcht, dass die kaiserlichen Söldner womöglich bis Ravensburg vordringen könnten, ließ Agnes nicht los. Und so suchte sie am nächsten Morgen die Prinzessin auf. Ein Blick auf Antonias Miene genügte, um zu erkennen: Die Kunde von Wallensteins Heerlager war kein Gerücht.Doch ein wenig konnte die Prinzessin sie beruhigen: Die feindlichen Truppen sammelten sich in Memmingen, weit genug weg von Ravensburg.
«Diese Schlange Wallenstein brüstet sich neuerdings, für den Frieden einzutreten. Aber wer Frieden in Deutschland will, Landfrieden und Seelenfrieden, darf dieses Edikt nicht wollen. Und wer dieses Edikt will, der sucht Krieg, allen schönen Worten zum Trotz!» Antonia ballte die Fäuste im Schoß, dass die Fingergelenke weiß hervortraten. «Sobald Wallenstein in Memmingen eingetroffen ist, wird unser Doctor Löffler mit seinem Sekretär dorthin aufbrechen und versuchen, das Schlimmste abzuwenden.»
Sie schickten einen Gesandten zu Wallenstein? Agnes durchfuhr ein Gedanke, den zu äußern sie zögerte. Aber durfte sie eine solche Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen?
«Ich weiß, welch ernste Sorgen Euch bedrängen. Ich weiß auch, was Ihr von Wallenstein haltet und von allen, die an seiner Seite kämpfen. Trotzdem – ich hätte eine große Bitte.»
«Du denkst an deinen Bruder?»
Agnes nickte. «Ich würde dem Vizekanzler gern eine Nachricht mitgeben, für den Fall, dass Matthes in Memmingen ist. Jedoch nur, wenn Ihr es für gut heißt.»
«Aber ja. Er ist dein Bruder, und das allein zählt, vor allen Feindseligkeiten.»
Überraschend war Matthes’ Regiment im Frühjahr nach Oberschwaben abkommandiert worden, wo der Obrist Rudolf von Ossa das Kommando für den Italiennachschub hielt. Zunächst hatte alles danach ausgesehen, als sollten sie Collalto nach Mantua folgen, dann jedoch sammelten sie sich mit anderen Regimentern in der Reichsstadt Memmingen und den umliegenden Flecken, und es geschah zunächst gar nichts. Es hieß, Memmingen liege strategisch günstig mit seinen guten Verbindungen indie italienischen Reichsprovinzen, nach Frankreich und sogar in die Niederlande, und so ließe sich gegebenenfalls in jede Richtung operieren. Zudem lag Regensburg, wo im Juni der Reichstag zusammentreten würde, nur vier Tagesreisen entfernt. Nun gelte es, die Ankunft des Generalissimus abzuwarten.
Das stolze Handelsstädtchen an der jahrhundertealten Salzstraße verhielt sich, obgleich schon vor etlichen Generationen reformiert und der lutherischen Lehre treu geblieben, äußerst freundlich gegen die Kaiserlich-Katholischen. Ohne Widerstand hatte der Magistrat schon im vergangenen Herbst dem für Italien bestimmten Fähnlein Quartier geboten und die monatlichen Kontributionen von viertausend Gulden beglichen, hatte auf dem Ratzengraben für teures Geld Stallungen wie Unterkünfte errichtet und Lebensmittelvorräte aufgekauft.
Was Matthes am meisten erstaunte: Die Bürger zeigten sich den Söldnern gegenüber alles andere als feindselig. Sie verlangten redliche Preise in den Wirtshäusern und Werkstätten und suchten das Gespräch mit den Fremden. Allerdings hatten sie auch keinen Grund zu klagen. Schließlich durften sie unbehelligt ihrem
Weitere Kostenlose Bücher