Die Gauklerin
waren ernst.
«Ist er im Hause?», fragte er einen der Männer, den er flüchtig kannte.
«Ja. Die Herzogin ist eben eingetroffen.»
«Wisst Ihr, wie er sich befindet?»
Der Mann zuckte die Schultern. «Wer weiß das schon? Angeblich hat ihn die Botschaft nicht überrascht, sein Astrologus habe ihm die Entlassung vor Wochen schon aus den Sternen gelesen. Jedenfalls hat er das Palais seit Tagen nicht verlassen.»
«Kam es denn nicht zu einem Aufstand in der Garnison?»
«Wer nicht hinter Wallenstein steht, hat die Stadt längst verlassen. Wir anderen haben strenge Order, Ruhe zu bewahren. Er scheint es ungerührt hinzunehmen.» Der Mann lachte bitter. «Wisst Ihr, was er seinem Stab gegenüber verlautbart hat? Dank ungünstiger kosmischer Konstellation stehe der Kaiser unter dem Einfluss seines Schwagers Maximilian, und gegen Gesetze des Himmels könne man sich nicht wehren.»
«Ich muss zu ihm. Lasst Ihr mich durch?»
Der Gardist schüttelte den Kopf. Das dürfe er nicht. Für die Belange der Soldaten seien im Übrigen der Quartiermeister und der Obristleutnant zuständig.
Unschlüssig blieb Matthes stehen und beobachtete das stete Kommen und Gehen vor dem Hauptportal. Er erkannte den Leibarzt, den Oberhofmeister, dann de Witte, den treuen Finanzier des Herzogs. Und schließlich erschien Wallenstein selbst, den Arm um Elz, seinen Kanzler, gelegt. Er war noch hagerer als sonst, die Augen rot gerändert über den eingefallenen Wangen. Doch er lachte und schien angeregt mit Elz zu plaudern, bevor er wieder im Haus verschwand.
Matthes fragte sich, ob Wallenstein sich diesen unerhörten Akt wirklich so wenig zu Herzen nahm oder ob die zur Schau gestellte Gelassenheit Ausdruck seiner Willenskraft war. Er erinnerte sich an eine Bemerkung de Paradas: Wallensteins Inneres sei wie ein dunkles Wasser, dessen Grund niemals sichtbar würde. Außer Gott drang wohl niemand in die Tiefe dieser Seele.
Als die Sonne hinter den Dächern verschwunden war, kehrte Matthes in sein Quartier zurück. Er hatte sich Feder und Papier besorgt und verfasste in wohlgesetzten Worten das Gesuch, in Wallensteins Leibregiment dienen zu dürfen oder zu einer beliebigen anderen Aufgabe unter seiner Order herangezogen zu werden, denn er sehe keinen anderen Herrn über sich als den Herzog von Friedland.
Gleichwohl musste er noch etliche Tage warten, bis er Gewissheit über sein weiteres Fortkommen haben sollte. Inzwischen waren weitere Hiobsbotschaften durch ganz Memmingen geeilt. Das Finanzimperium de Wittes und damit auch des Herzogs sei zusammengebrochen, Wallenstein habe daraufhin einen heftigen Anfall von Podagra erlitten. Bald darauf die Bestätigung: De Witte habe sich im Brunnen seines Prager Gartens erhängt. Fortan durfte sich keiner dem Schweizerberg auf mehr als hundertSchritt nähern. Dann endlich – es wurde bereits Herbst – rief der Herold mit seinen Trommeln die Soldaten zum Appell: Der Herzog von Friedland werde binnen acht Tagen mit seinem Gefolge und seinem Leibregiment aufbrechen. Alle nötigen Vorbereitungen seien umgehend zu treffen. Am selben Tag hielt Matthes seine Bestallung zum Wachtmeister im friedländischen Leibregiment in den Händen.
Ganz in Purpur und Schwarz gekleidet, auf einem glänzenden, mit Gold und Edelsteinen gezäumten Rappen, hielt Wallenstein Auszug durch das Spalier seiner ruhmreichen Regimenter. Von Zeit zu Zeit winkte er einen der Obristen heran, um ihm herzlich die Hand zu schütteln. Nach Nürnberg würde die Reise gehen, von dort über Eger nach Prag, in seinen Palast unterhalb des Hradschin, wo er sich erst einmal zu sammeln und zu besinnen gedachte. Danach wollte er heimkehren in sein blühendes Friedland, seine Terra Felix.
Und er, Matthes, war mit dabei, als einer von vierhundert Soldaten des herzoglichen Leibregiments. In aller Eile hatte er dies am Vortag niedergeschrieben, in zweifacher Ausführung: Einen Brief hatte er nach Ravensburg, einen nach Stuttgart aufgeben lassen. Als sie nun durch die menschengesäumten Gassen in Richtung Ulmer Tor zogen, hielt Matthes, mit Wehmut und Stolz zugleich, die silberne Partisane fest in der Faust. Vorbei die Zeit der Schlachten mit Geschützdonner und Kampfgetümmel – er war nun für Leib und Leben des Herzogs verantwortlich, der sich künftig dem Wohlstand und Gedeihen seines kleinen böhmischen Reiches widmen würde. Noch mehr Klöster und Schulen plante er, dazu Spitäler und Armenhäuser, den Bau von Straßen und Kanälen, eine
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