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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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nicht hören, sie war ununterbrochen für die Sache auf den Beinen. An dem Wochenende war ich in Jackson, und als ich zurückkam, fand ich sie bewusstlos auf dem Badezimmerboden liegen. Im Krankenhaus wachte sie gerade lange genug auf, um ihre Einwilligung zu den Antibiotika, die ihr das Leben hätten retten können, zu verweigern. Sie sagte, sie sei bereits zu weit gegangen und wir könnten uns das nicht mehr leisten.« Stanton trank seinen Brandy aus und goss sich einen weiteren ein. »Wisst ihr, was ihre letzten Worte waren? ›Du nimmst das Geld, Sohn, um den Tunnel fertigzustellen. Versprich mir das.‹ Das war Mama, sie dachte niemals an sich selbst.«
    Und auch nicht an dich, wette ich . Hannah fühlte plötzlich Mitleid mit ihm.
    »Es muss für sie ein großer Trost gewesen sein, einen Sohn zu haben, der ihre Arbeit fortführt«, sagte Kayla.
    »Offen gesagt, sie hätte mich verleugnet, wenn ich es nicht getan hätte.«
    Es herrschte betretenes Schweigen. »Also«, sagte Hannah, »wir sind euch beiden wirklich sehr dankbar.«
    Stanton stand abrupt auf. »Es ist spät, und ihr beiden Damen müsst völlig fix und fertig sein. Ich zeige euch jetzt den Weg zurück zu eurem Zimmer.«
    »Bemüh dich nicht, wir finden den Weg schon selbst«, sagte Kayla.
    »Versucht es, aber ich bezweifle, dass ihr Erfolg haben werdet.«
    Als sie den vorderen Korridor erreicht hatten, ahnte Hannah, was er meinte. Sie untersuchte die mit Paneelen verkleidete Wand dort, wo sie den Eingang vermutete, aber erst als Stanton sagte: »Virtute et armis«, und sich die Tür öffnete, wurde dieser sichtbar.
    »Zu eurer eigenen Sicherheit muss ich euch diese Nacht einschließen«, sagte Stanton. »Doch wenn ihr morgen früh aufsteht oder wenn ihr irgendetwas benötigt, dann drückt einfach auf diesen kleinen Knopf hier. Von dort aus wird ein Signal an meinen Port gesendet, und ich komme dann so schnell, wie ich kann.«
    Hannah und Kayla wechselten einen besorgten Blick. »So schnell, wie ich kann« war weit entfernt von »augenblicklich«. Stanton konnte sie eine lange Zeit hier unten lassen. Und wenn ihm etwas zustoßen sollte, würde nicht einmal Simone sie finden. Sie würden langsam und erbarmungslos verhungern.
    »Macht euch wegen mir keine Sorgen«, sagte Stanton mit offensichtlicher Ironie in der Stimme. »Ich mag vielleicht ein bisschen mollig sein, doch mein Arzt sagt, ich hätte das Herz eines Dreißigjährigen.«
    Kaylas Augen waren Spiegel, in denen Hannah ihre eigenen Gedanken erkannte: Haben wir eine Wahl? Im Augenblick führte der einzige Weg nach unten.
    Als Stanton gerade die Tür abschließen wollte, hielt er inne und tippte sich mit einem kurzen, dicken Finger gegen die Stirn. »Fast hätte ich es vergessen. Was möchtet ihr am liebsten zum Frühstück essen?«
    »Armer Ritter«, sagte Hannah. »Und Speck und Maisgrütze«, fügte Kayla hinzu.
    »Dann wird es genau das morgen früh geben«, sagte er und setzte sein kleines Jungenlächeln auf. »Schlaft gut, meine Lieben.«
    Doch Hannah schlief nicht gut. Trotz ihrer Erschöpfung. Ihre Klaustrophobie bäumte sich auf, und mehrmals in der Nacht schrak sie hoch, weil sie geträumt hatte, lebendig begraben worden zu sein. Am Morgen wachte sie dann völlig orientierungslos auf, vom Geräusch fließenden Wassers. Sie spürte Panik in sich aufsteigen, bis sie das Licht anstellte und die beiden Betten, die gelben Wände und die Orchidee sah. Das elegante Zimmer beruhigte sie. Sie war nicht im Zentrum des Geraden Weges, sie war mit Kayla bei Stanton.
    Als Kayla im Bad fertig war, duschte Hannah und zog sich an. Sie versuchte, das Gefühl der Ruhe wiederzufinden, das sie am Abend zuvor in Stantons Kofferraum ergriffen hatte, doch es entzog sich ihr. Zusammen gingen sie die Treppe hinauf, und Hannah drückte mit zitternder Hand den Knopf. Doch ihre Angst war unbegründet, denn kaum zwei Minuten später öffnete Stanton die Tür und wünschte ihnen einen guten Morgen. Das in Aussicht gestellte Frühstück war genauso köstlich wie das Essen am Abend zuvor, und als er für sie Nachschlag holte, nahmen sie, ohne auch nur symbolisch zu protestieren, gerne an.
    »Wo hast du gelernt, so zu kochen?«, fragte Kayla.
    »Meine Großmutter hat es mir hinter dem Rücken meines Großvaters beigebracht. Er war der Überzeugung, dass Kochen nichts für Männer sei. Er war ein alter und zäher Vogel, der in Korea ein Auge verloren hatte. Er wurde auf dem Friendship-Friedhof beerdigt. Ich nehme an, ihr

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