Die Geächteten
Zentrum heute Morgen zu verlassen.«
Am Tisch wurde es still. Hannah ließ ihren Blick über den Tisch wandern, und sie sah zehn verblüffte Gesichter und ein wütendes. Mrs. Henley legte ihren Löffel ab.
»Zweifelst du mein Wort an?«
Ihre Worte waren wie Steine, die mit einem lauten Plumps ins Wasser fielen. Innerhalb von Sekunden hatte das Schweigen, das wie eine Welle von ihnen ausging, den gesamten Speisesaal erfasst.
»Oh nein, Mrs. Henley«, sagte Hannah mit weit aufgerissenen Augen. »Ich weiß, dass Sie niemals etwas sagen würden, das nicht der Wahrheit entspräche. Ganz offensichtlich muss ich mich bei Kayla verhört haben.«
»Ganz offensichtlich hast du dich verhört«, sagte Mrs. Henley. »Wenn ich du wäre, würde ich in Zukunft besser zuhören. Falsche Gerüchte in Umlauf zu bringen ist ein gravierender Schritt ab vom geraden Weg.«
Hannah senkte den Kopf, um ein kleines, zufriedenes Lächeln zu verbergen. »Ja, Mrs. Henley.«
Hungrig und erschöpft ging sie zum Morgengottesdienst. Die Rede war noch geistloser als gewöhnlich, und sie nickte ein. Die donnernde Stimme von Pastor Henley weckte sie auf.
»Hannah Payne! Wach auf!« Von der Kanzel blickte er finster auf sie herab. Angesichts ihres Frevels war sein Gesicht blutrot angelaufen. »Auf die Knie, Wanderin!« Sie rutschte auf den Boden. »Du bist dem Weg Satans gefolgt, statt dem Weg Gottes zu folgen, genauso wie Isebel es getan hat, als sie die Propheten des Herrn tötete. Du hast mich nicht respektiert, und du hast Gott in Seinem Haus nicht respektiert und beleidigt. Du solltest zutiefst beschämt sein.«
Irgendwann hörte Hannah auf, dem geschwollenen Gerede zuzuhören. Sie dachte über die Scham nach, die sie seit ihrer Abtreibung ständig begleitete. Was hatten Schuld und Selbsthass gebracht? Nichts, außer ihr Vertrauen zu erschüttern und sie zu schwächen. Und sie konnte es sich nicht leisten, schwach zu sein, nicht, wenn sie überleben wollte. Nicht mehr, beschloss sie. Das mit der Scham war erledigt. Ein für alle Mal.
Sie blieb auf den Knien, bis Pastor Henley schließlich völlig fertig von seiner Rede war, den Gottesdienst beendete und wie ein Blitz die Kapelle verließ. Als die Frauen der Reihe nach hinausgingen, kam Mrs. Henley zu ihr.
»Ich weiß nicht, was ich denken soll, Hannah«, sagte sie. »Erst das Theater beim Frühstück, und nun bist du während des Gottesdienstes eingeschlafen. Möchtest du irgendetwas zu deiner Entschuldigung sagen?«
»Nein, Mrs. Henley.«
»Pastor Henley denkt, dass dies dein erster Schritt ab vom geraden Weg ist, aber du und ich, wir beide wissen es besser, oder?«
»Ja, Mrs. Henley.« Das war es dann. Ich bin draußen .
»Ich denke, wir müssen uns noch einmal unterhalten. Sagen wir morgen um drei bei mir im Salon?«
Mrs. Henleys Augen bohrten sich in die von Hannah. Sie bohrten und bohrten, als wollten sie in ihr Inneres vordringen. Sie ernährten sich von ihrer Angst.
Hannah nickte.
»Ausgezeichnet!«, sagte Mrs. Henley. »Ich mache uns einige Zitronenstangen.«
Als Hannah einige Minuten später den Erleuchtungsraum betrat, stand der Stuhl wieder im Kreis und die arme, irre Anne-Marie saß darauf, wie immer auf ihre Puppe fixiert. Heute tat sie so, als würde sie sie füttern. Sie machte jedes Mal flugzeugähnliche Geräusche, wenn sie einen imaginären Löffel zum Mund der Puppe führte. »Du bist doch mein guter Junge! «, rief sie nach jedem Happen aus.
Der Erleuchter stand da und verkündete: »Die Wanderin Cafferty hat heute ihren letzten Tag bei uns. Heute Nachmittag verlässt sie uns, um in die Welt zurückzugehen.«
Hannah verspürte irgendwie Erleichterung. Sie schaute sich im Raum um, um sich die Gesichter der anderen Frauen anzusehen. Sie war nicht die Einzige, die so empfand.
»Anne-Marie Cafferty«, sagte der Erleuchter, »sechs Monate lang bist du den Weg der Reue, Buße, Wahrheit und Demut gegangen. Du bist erleuchtet worden und hast das Böse deiner Sünde erkannt. Und du hast sie gesühnt. Wanderinnen, lasst uns nun schweigend für diese Frau beten, damit sie den Weg weitergehen kann und eines Tages Erlösung findet.«
Hannah hatte seit Tagen nicht mehr gebetet, doch nun tat sie es: Bitte Gott, wenn du unter uns weilst, wenn du uns zuhörst, dann achte auf sie.
»Hm! Leckere Möhren!«, sagte Anne-Marie. »Noch einen Happen, dann bekommst du von Mama etwas Apfelmus.«
»Wie alle Wanderinnen«, sagte der Erleuchter zu Anne-Marie, »musst du diesen Ort auf
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