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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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hing, und reichte es dem Pastor. »Ich möchte jetzt meinen Ausweis und meine Kleider wiederhaben.«
    Das Gesicht des Pastors nahm einen bestürzten Ausdruck an. »Wenn du freiwillig den Weg verlässt, wird deine Seele verdammt sein.«
    »Diese Frau ist bereits verdammt«, erklärte der Erleuchter. »Sie ist eine Hexe, die sich ganz bewusst von Gott abgewendet und Satan umarmt hat.«
    »Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen«, sagte Mrs. Henley. Ihre Augen waren wie Klingen, und sie schossen von Hannah zu etwas, das hinter ihr war.
    Hannah schaute über die Schulter und stellte fest, dass sich eine große Menge im Korridor versammelt hatte. Die Mienen der Erleuchter sahen im Vergleich zu den Regenbogen-Gesichtern der Frauen fahl und krank aus.
    Hannah wandte sich erneut Pastor Henley zu. Mit tragender Stimme sagte sie: »Sie haben versprochen, dass ich gehen kann, wann immer ich will, und Sie mir meine persönliche Habe aushändigen. Werden Sie Ihr Wort halten?«
    Sein Gesicht verfinsterte sich. »Wie kannst du es wagen, meine Integrität anzuzweifeln?«, sagte er und riss Hannah das Kreuz aus der Hand. »Ich werfe dich raus! Geh und warte im Foyer. Jemand wird dir deine Sachen bringen.«
    Doch der niederträchtige Glanz in Mrs. Henleys Augen sprach eine andere Sprache. Ohne ihren Ausweis hätte Hannah keinen Zugang zu ihrem Bankkonto, sie wäre nicht krankenversichert, könnte sich nicht ärztlich behandeln lassen, nichts könnte sie. Und wenn sie von der Polizei angehalten werden würde und hätte ihn nicht dabei, könnte ihre Strafe um ein Jahr verlängert werden. »Ich werde hier warten«, sagte sie und war dankbar für die Menge, die um sie herumstand.
    »Schamloses Flittchen! Wir sollten dich nackt auf die Straße werfen!«, sagte Mrs. Henley.
    »Ja, dass deine Blöße aufgedeckt und deine Schande gesehen werde!«, forderte der Erleuchter.
    Seine Augen glitten hinab zu ihren Brüsten.
    Pastor Henley schüttelte den Kopf. »Nein, Bob.«
    Bob? Hannah staunte nicht schlecht. Das war surreal. Dieses Monster sollte Bob heißen?
    »Warum denn nicht?«, fragte der Erleuchter. »Sie verdient es, und sie ist schlecht.«
    »Weil ich ihr mein Wort gegeben habe«, erwiderte Pastor Henley. Und an seine Frau gewandt fuhr er fort: »Hol jetzt ihre Sachen.«
    Für einen Moment glaubte Hannah, Mrs. Henley würde sich ihm widersetzen, doch schließlich nickte sie hölzern und ging in ihren Salon. Hannah wartete in der aufgeladenen Ruhe des Korridors. Einige Minuten später war Mrs. Henley wieder da, ihre Sachen in der Hand. Hannah war erleichtert, dass ihr Ausweis obendrauf lag. Sie nahm das Bündel und ging davon aus, dass die Henleys sie auffordern würden, sich an Ort und Stelle zu entkleiden und umzuziehen.
    »Werft die Verächterin hinaus!«, sagte Pastor Henley mit strenger, eindringlicher Stimme. »Geh jetzt, Hannah Payne, in die grausame und wilde Welt, und ernte die Früchte deiner Sünden.«
    Als sie sich zum Gehen wandte, zischte der Erleuchter – Bob , dachte sie wieder, während sie ein hysterisches Lachen unterdrückte –: »Isebel. Hexe.« Einige der Frauen wiederholten seine Worte, und rempelten sie an, als sie durch ihre Reihen ging, doch die meisten gingen ihr schweigend aus dem Weg. Eve gehörte zu den Letzteren. Als Hannah die Bewunderung auf dem gelben Gesicht des Mädchens sah, fühlte sie sich gleich ein Stück größer.
    Und dann hatte sie die Frauen hinter sich gelassen und öffnete die Tür zum Foyer. Endlich war sie allein. Die Luft war nach der bedrückenden Enge im Korridor erfrischend, und für einen Moment lehnte sich Hannah gegen die Tür, um tief einzuatmen und ihre Lungen mit Luft zu füllen. Plötzlich fühlte sich der hohe Kragen ihres Kleides unerträglich an, wie eine Schlinge, die sie würgte. Sie riss es sich vom Leib und dann auch den Rest – die billige, hässliche Unterwäsche, die schwarzen Schuhe, die dicke Strumpfhose, die verhasste Haube. Sie ließ alles in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden zurück und zog ihre eigene Kleidung an. Der ehemals hochtaillierte Rock rutschte jetzt auf ihre Hüften, und die Bluse, die locker ihren Oberkörper umspielt hatte, als sie die Chrom-Station verlassen hatte, hing jetzt wie ein Sack an ihr. Schließlich zog sie die Nadeln aus ihrem Haar. Es fiel wie eine Kaskade über Schultern und Rücken, und sie stellte fest, wie sehr sie sein Gewicht, das sie als eine Art Schutz empfand, vermisst hatte. Bei diesem Gedanken blickte sie auf

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