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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Propheten erfüllt hatte.
    Erinnert Euch … obwohl der französische König damals tatsächlich schon einundvierzig war, befand er sich in wesentlich besserer körperlicher Verfassung als unser eigener König Heinrich im gleichen Alter. Der schicksalhafte Tag, an dem Henri beschloss, selbst am Turnier teilzunehmen, war der dreißigste Juni im Jahre 1556.
    Wir wurden ausführlich über die Ereignisse unterrichtet, weil Nicholas Throckmorton – königlicher Gesandter Englands in Paris – auf dem Turnier anwesend war. Throckmorton hatte einen hervorragenden Sitzplatz. Er konnte genau beobachten, wie die Lanze Henris Helm traf und dabei zerbarst, was wohl dazu führte, dass einige Splitter durch dessen Auge in sein Hirn drangen. Throckmorton hatte nur gesehen, wie man dem König vom Pferd half und ihm die Rüstung abnahm. Und hatte dann zunächst berichtet, die Verletzung sei nicht so schwer wie befürchtet – ohne allerdings zu ahnen, dass die französischen Wundärzte inzwischen schon fieberhaft an den Köpfen frisch hingerichteter Verbrecher ausprobierten, wie die Splitter sicher entfernt werden könnten.
    Vergebens. In der zweiten Woche des Juli starb der König in seinem verdunkelten Gemach. Und ganz Europa wusste nun um die prophetische Macht der Astrologie.
    «Du glaubst nicht, dass es sich wahrhaftig um eine Prophezeiung handelte, nicht wahr, John?», vermutete Dudley.
    «Für meinen Geschmack ist sie etwas zu genau. Aber genug davon.» Ich tippte mit dem Finger auf Blanches Brief. «Ist dies das erste Mal, dass du von einer Prophezeiung hörst, die Artus mit Anne Boleyn in Verbindung bringt?»
    «Wie sicher bist du dir denn, dass Morgan le Fay hier für Anne Boleyn steht?»
    Er hatte bestimmt nur Malory gelesen, der die Rolle der Zauberin in der Artussage herunterspielte.
    «Ich glaube, dass es eine versteckte Anspielung von Blanche ist.»
    Le Fay.
Obwohl man sie häufig als Artus’ Halbschwester beschrieben hatte, schien sie in früheren Überlieferungen zumindest teilweise ein übernatürliches Wesen gewesen zu sein. Ganz sicher jedoch eine Hexe.
    «War sie böse?», wollte Dudley wissen. «Das ist mir nie ganz klargeworden.»
    «Nicht durch und durch. Obwohl sie angeblich die Hochzeit von Artus und Guinevere hintertreiben wollte. Sie heckte oft etwas aus und war deshalb nicht sonderlich vertrauenswürdig.»
    «Das hat sie auf alle Fälle mit Anne gemeinsam.»
    «Wie dem auch sei, in der Artussage – also den frühen Überlieferungen – scheint es jedoch eher Morgans Aufgabe zu sein, die Ritter der Tafelrunde auf die Probe zu stellen. Und am Ende kommt es zur Aussöhnung, da sie eine der Frauen ist, die den König auf seiner letzten traurigen Reise nach Avalon begleiten. Was uns zum Kern
unserer
Prophezeiung führt … also, wenn die Überreste von Artus nach Avalon
zurückgekehrt
sind …»
    «Wird die Königin vor der Hexe Ruhe haben.»
    «Zuerst dachte ich, das sei nur Unsinn, wieder so ein Gewäsch aus irgendeinem Pamphlet. Und doch bezieht es sich auf die ältesten Quellen, die es über Artus gibt … Und wenn man einmal darüber nachdenkt, könnte genau das der Grund sein, warum wir hier sind. Der hauptsächliche Grund zumindest.»
    Sein Schweigen dauerte mir ein bisschen zu lange.
    «Woher willst du wissen, dass Blanche sich das nicht einfach nur ausgedacht hat?», fragte er schließlich.
    «Du solltest mir wenigstens zutrauen, dass ich meine Cousine kenne. Verstehst du nicht – selbst wenn das Ganze nur in der boshaften Absicht zusammengeflickt wurde, der Königin Angst zu machen, wusste der Verfasser bestens über die Artus-Quellen Bescheid. Deswegen …» Ich suchte Dudleys Blick, doch er hatte sich abgewandt. «Hast du jemals bei Hofe von anderen Prophezeiungen dieser Art gehört?»
    «Nein.»
    Sein Gesicht war noch immer der Wand zugekehrt, als wäre ihm das Kerzenlicht zu hell. Er wusste etwas. Dudley war kein Heuchler – mir gegenüber jedenfalls nicht. Daher vermutete ich, dass er schwieg, um nicht zu viel über seine Beziehung zur Königin zu verraten.
    «Gibt es vielleicht noch etwas anderes, das der Königin den Schlaf rauben könnte?», bohrte ich nach. «Denn falls jemand –»
    «Du weißt doch, wie es bei Hofe zugeht.» Dudley machte eine wegwerfende Geste. «Von überall tauchen Gerüchte auf. So munkelt man, dass es eine neue Verschwörung gibt, um die schottische Königin auf den englischen Thron zu bringen. Ja, man erzählt sich sogar, dass Marias Regentschaft

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