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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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eine einzige Lüge gewesen sein soll, da Edward gar nicht gestorben sei.»
    Ich nickte. Davon hatte ich auch schon gehört, aber der Ursprung dieser Gerüchte war leicht zu durchschauen – entweder sehnte man sich nach der Rückkehr eines erwachsenen und mächtigen Edward. Oder es war ein Hinweis darauf, dass man allgemein fand, es sei für Elisabeth endlich Zeit, sich einen Mann zu suchen, mit dem sie das Land regieren konnte. Bis zum Ende ihrer Regentschaft würde sie immer wieder beweisen müssen, dass es tatsächlich Gottes Wille gewesen war, eine Frau auf Englands Thron zu setzen.
    Ich ließ nicht nach und zitierte wieder aus dem Brief.
    «Ihre Nächte sind voller Qual …»
    Donner rüttelte an den Fenstern. Unter den Decken zuckte Dudleys Körper. Er warf sich herum und sah mir ins Gesicht.
    «Was willst du mir damit sagen?», fragte er.
    «Was sagst du mir
nicht

    «Ich bin krank», jammerte er wie ein Kind. «Was zur Hölle ist nur los mit dir, John? Du bist doch ein sanfter Mensch, ein Mann der Bücher. Warum verpisst du dich nicht einfach und liest eines?»
    Ich stand auf und sah auf ihn hinab, wie er da lag, ohne elegante Gewänder, ohne seinen gewachsten Schnurrbart, das Haar glanzlos und stumpf.
    «Ich muss es wissen, Robbie. Wir müssen ergründen, warum wir
wirklich
hier sind.»
    Er richtete sich im Bett auf und griff nach dem Wasserkrug und dem Becher. Der Krug war zu schwer für ihn, und er verschüttete etwas. Ich nahm ihm den Krug ab und goss ein, aber er befeuchtete nur die Lippen. Der Donner klang wie weitentfernte Kriegstrommeln, und im selben Moment begann Dudley zu sprechen.
    «Eines Nachts … vor drei Wochen … vielleicht vier. Man hatte mich nach Richmond an den Hof bestellt. Mir wurde im Geheimen eine Nachricht übergeben. Von jemandem, den wir beide kennen.»
    Blanche möglicherweise.
    «Ich wurde in die Gemächer der Königin gebracht. Es war schon nach Mitternacht, und alle ihre Hofdamen waren bereits fortgeschickt worden. Als ich eintraf, war sie … verzweifelt und brauchte Trost.»
    «Trost», wiederholte ich.
    «Und wir redeten. Bis tief in die Nacht hinein.
Redeten

    Hm. Ich wartete ab. Wahrscheinlich war ich der Erste, der diese Geschichte erfuhr, und bestimmt auch der Letzte.
    «Bess war … sehr verstört, könnte man sagen, durch Vorhersagen ihres bevorstehenden Todes.»
    «Wie? Von wem stammten die?»
    «Das weiß Gott allein. Omen und Zeichen. Das war nicht das erste Mal. Es gibt Dutzende dieser Voraussagen, aber sie verlangt über alle unterrichtet zu werden. Nichts darf ihr vorenthalten werden. Alle möglichen Briefe und Schriftstücke werden ihr täglich vorgelegt. Die fragliche Vorhersage stammte aus einem Pamphlet – Gefasel, und trotzdem Hochverrat. Sie erwischte zwei ihrer Hofdamen dabei, wie sie darüber tuschelten.»
    Mir war auf einmal recht unbehaglich zumute.
    «Worum ging es?»
    «Ihren nahen Tod … ich weiß nicht genau, welches Datum genannt wurde … Aber sie solle keine Angst haben, stand darin, denn sie müsse den Weg nicht allein gehen. Jemand würde sie begleiten, wenn sie durch den Schleier tritt. Die Frau, die sie auf die Welt gebracht hat, würde sie auch den Weg hinausgeleiten.»
    «War es genau so formuliert?»
    «So ähnlich. Dass Anne sie hinübergeleiten würde. Sie den ganzen Weg begleitet, bis in …»
    «Die Hölle?»
    Stille. An der Wand spiegelte sich das helle Licht eines zuckenden Blitzes.
    «Alle Welt weiß, dass Annes Geist im Tower umgeht.»
    Diesmal durchbrach kein Donner das Schweigen.
    «Du kannst dir vorstellen, welche Folgen das hatte, John. Schon in der folgenden Nacht hatte sie einen Traum. Einen sehr lebhaften Traum. Von der Art, bei dem man glaubt, man läge im Bett und schliefe, und dann wacht man auf und …»
    «Anne?»
    «Großer Gott, ja. Sie lächelte so fein und süßlich wie auf ihrem Porträt, und um ihren Hals herum zog sich eine Linie aus getrocknetem Blut. Als ob sie sich für diesen Besuch freundlicherweise den Kopf wieder aufgesetzt hätte. Danach weigerte Bess sich mehrere Nächte lang, allein in ihrem Gemach zu schlafen», fuhr Dudley fort. «Ihre Hofdamen blieben abwechselnd bei ihr, und es brannten mehr Kerzen als sonst.»
    «Kehrte der Traum zurück?»
    «Noch zwei Mal.»
    «Und hat … hat Anne etwas gesagt?»
    Dudley schüttelte den Kopf und trank noch einen Schluck Wasser.
    «Bess fragte mich, ob ich es für ratsam hielte, wenn sie John Dee Bescheid gab, damit er einen Bannkreis um ihr

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