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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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nahm sie mit nach unten in den getäfelten Raum und zündete sie mit einem Span aus dem Kaminfeuer an. Als ich wieder in Dudleys Zimmer kam, stellte ich eine Kerze vors Fenster und die andere auf den Tisch neben dem Bett.
    «Ich bin nicht taub, John.»
    Er saß aufrecht im Bett, ein Kissen zwischen seinem Rücken und dem Kopfteil aus heller Eiche. Das Schwert lag in seiner Scheide auf Dudleys Knien.
    «Du hast die Ausrufer gehört?», fragte ich ihn.
    «Ein Mord im Auftrag des Satans?»
    «Robbie, wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der Hexen und Zauberer hinter jeder –»
    «Er leidet also nur an Wahnvorstellungen?»
    Die Frage war nicht einfach zu beantworten. Ich saß am Fuße des Bettes und starrte in die züngelnde Flamme der Kerze. Dann erzählte ich ihm von Cate Borrow und was mit ihr geschehen war. Dudley beugte sich vor, sein Gesicht war schmal und rotfleckig, der Bart struppig. Er sah viel älter aus, als er tatsächlich war.
    «Er glaubt also, deine Ärztin ist eine Hexe aufgrund ihrer Abstammung? Und hat er denn nicht Grund zu dieser Annahme?»
    «Die Wahrheit ist, dass er nicht einmal einen triftigen Grund hatte, ihre Mutter zu hängen.»
    «Willst du damit sagen … was man mit Martin Lythgoe gemacht hat, sei
kein
triftiger Grund, um jemanden zu hängen? Sah das vielleicht aus wie ein zufälliger Angriff, ein einfacher Raubmord? Was ist los mit dir? Die Art seines Todes deutet in allem auf ein rituelles Opfer hin. Du hast das doch alles studiert.»
    «Ja, aber –»
    «Blutopfer, John, sind ein
Handel …
dadurch wird ein Dämon beschworen, um dem Magier zu Diensten zu sein.»
    «Theoretisch.»
    Oh, ich wusste über diese Theorien nur zu gut Bescheid, hatte all die Formeln, die im
Schlüssel Salomons
und den Zauberbüchern von Papst Honorius niedergeschrieben stehen, genauestens untersucht und seziert. All die verschiedenen Rituale, bei denen Hähne oder andere Haustiere geopfert werden, um durch das Vergießen von Blut …
jene
Art von Engeln herbeizurufen … mit denen ich am allerwenigsten zu verkehren wünsche.
    Oh, Glastonbury …
lagen hier wirklich Antworten auf meine tiefsten Mitternachtsfragen verborgen? Vielleicht. Ich wusste es nicht. Es war alles so verworren und aufwühlend. Als würde man den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.
    Aber Dudley, der endlich wieder klar denken konnte, würde sich nicht so einfach abspeisen lassen.
    «Wenn man jemanden tötet, einen guten Menschen dem Satan oder irgendeinem Dämon der Zerstörung opfert, und zwar an einem ehemals heiligen Ort … einem ehemals
sehr
heiligen Ort … sollte das nicht eine beachtliche Wirkung erzielen?»
    Ich konnte nicht abstreiten, dass der Mörder vielleicht geglaubt hatte, er könnte mit einem rituellen Opfer in der Abtei von Glastonbury einen mächtigen Dämon beschwören. Ich musste an den Zauberer Gregory Wisdom denken – auch ein Doktor der Medizin –, der von Lord Neville beauftragt worden war, mittels Magie einen Mord zu begehen. Und das war nur der berühmteste Fall der Art in jüngster Zeit gewesen. Dieser Missbrauch der Magie geschah ständig und überall. Mir fiel die Kerze ein, die über Martin Lythgoes Lippen niedergebrannt war. War es nur meine eigene gestörte Vorstellungskraft, oder hatte jemand sie absichtlich so verformt, dass sie aussah wie der Tor?
    «Und das eigentliche Opfer sollte dir zufolge Fyche selbst werden – aus Rache dafür, dass er ihre Mutter gehängt hat? Dann hat der Plan ja offensichtlich nicht funktioniert.»
    Dudley schnaubte.
    «Vielleicht nicht. Oder wenigstens
noch
nicht. Herrgott, ich
wünsche
mir wahrlich nicht, dass es die Frau war, die mich vom Fieber geheilt hat. Mir geht es doch nur darum, dass die Ermordung Martin Lythgoes … gesühnt wird, entweder durch den Strang oder mit dem Schwert. Und danach will ich mit dir aus dieser stinkenden kleinen Stadt wieder verschwinden.»
    «Und was ist mit Artus’ Gebeinen?»
    Er gab keine Antwort. Wer könnte es ihm verdenken, dass er in seinem Zustand und nach alledem, was vorgefallen war, beinahe vergessen hatte, weswegen wir eigentlich hier waren.
    «Sag mir, was du hiervon hältst», bat ich ihn.
    Ich zog Blanche Parrys Brief aus meinem Wams und ging hinüber zur Kerze am Fenster, als ein weißer Lichtblitz aufflackerte und von Osten her das erste tiefe Grollen des Donners zu hören war.

XXVI Le Fay
    A lles, was ich mit Hilfe meiner zahlreichen Sternentabellen, den Karten der Tierkreiszeichen und den seitenlangen

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