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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Eine leicht herbeizuführende religiöse Erfahrung, außerhalb des Einflusses der Kirche? Wenn Cate das Pulver der Visionen hergestellt hatte, was konnte sie dann noch alles?»
    «An ihr musste also ein Exempel statuiert werden, und deswegen –»
    «Ich weiß nicht, was im Kopf dieses Mannes vorgeht.»
    «Und Eleanor?»
    «Sie war gerade erst zurück vom College – Matthew hatte sie einige Jahre zuvor nach Bath geschickt, damit sie in Medizin unterrichtet wurde. Sie war … immer ein fröhliches Kind, das viel gelacht hat. Man konnte ihr stets ansehen, was sie gerade dachte. Danach aber … nun …» Monger senkte den Blick. «Wisst Ihr, was das Bitterste an alledem ist? Bevor die Abtei aufgelöst wurde, war unser Abt der Friedensrichter. Cates Freund.»
    Ich suchte seinen Blick, aber er verbarg seine Gefühle.
    «Trotz all ihrer Geheimnisse, trotz des Anscheins von spiritueller Rebellion, ist Glastonbury eine unglückliche Stadt», sagte er schließlich. «Warum seid Ihr wirklich hier, Dr. Dee?»

XXV Handel
    N achdem Monger das Gasthaus durch die Hintertür verlassen hatte, stand ich noch eine Weile am Rande des Hofes und sah zu, wie die Wolken über dem Turm der Johanniskirche die letzten Reste des Tageslichtes langsam erstickten. Es war dunkler, als es um diese Zeit eigentlich hätte sein sollen: Ein Sturm zog auf. Ich ging wieder hinein, verweilte in der Dunkelheit des Flures und hing trüben Gedanken nach.
    Ich dachte an Fyches Kälte und Skrupellosigkeit. Und wie es für Doktor Matthew Borrow sein musste, jeden Morgen mit der Erinnerung an das bleiche, starre Gesicht seiner Frau im Gerichtssaal aufzustehen.
    Sie schaute ihn nicht an. Sie hat ihn nie wieder angesehen.
    Die Qualen des Ungläubigen. Für ihn gab es keine tröstenden Träume davon, dass sie sich im Himmel wieder in die Augen sehen würden. Und doch arbeitete Borrow weiter, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit … die halbe Nacht hindurch, um das Leben anderer Menschen zu retten. Es war ihm wahrscheinlich egal, ob er sich damit ein frühes Grab schaufelte.
    In meiner Erinnerung sah ich ihn noch auf der Straße hinter der Kirche stehen. Ein sehniger, aschfahler Mann, gezeichnet vom Schatten der größten aller Ungerechtigkeiten: Seine Tochter sollte dasselbe Schicksal wie seine Frau ereilen, zum Tode verurteilt von ein und demselben Mann.
    Im Gasthof herrschte Stille. Die Bauern waren eilig noch vor dem Sturm nach Hause geflüchtet, und Cowdray lag wahrscheinlich mit seinem Schankmädchen im Bett.
Sie
aber war da draußen. Nel Borrow, irgendwo unter dem dräuenden Himmel.
     
    †
     
    Ich rannte die dunkle Treppe hoch, hielt kurz vor der Tür zu Dudleys Kammer an, und weil ich von drinnen keinen Laut vernahm, trat ich ein.
    Als sich die Tür hinter mir schloss, spürte ich einen Luftzug. Vor dem grünen Licht, das durch das Fenster fiel, zeichnete sich ein Arm ab, und ich sah eine lange Klinge silbern aufblitzen. Ihre Spitze war nur einen Fuß von meiner Kehle entfernt – wenn nicht gar weniger.
    Die Zeit schien stillzustehen in diesem Augenblick der Todesangst. Ich roch den Schweiß eines Kranken. Sah, wie die Klinge des Reitschwertes einmal zuckte und beinahe mein weiches Fleisch berührte, so wie ein gekrümmter Finger das Kinn eines Säuglings streichelt.
    Dann wurde das Schwert klirrend zu Boden geworfen. Ein Körper ließ sich aufs Bett fallen.
    «Grundgütiger, John, du hättest anklopfen können.»
    Ich holte Luft.
    «Ich dachte, du schläfst.»
    Er hatte beim Herumfuchteln mit der Klinge wahrscheinlich noch mehr Angst gehabt als ich, auf den er sie gerichtet hatte. Physische Schwäche war ein ungewohnter Zustand für einen Robert Dudley.
    «Ich konnte nicht mehr schlafen. Hässliche Träume suchen mich heim, sobald ich die verdammten Augen schließe. Mein Kopf fühlt sich an wie eine Kanonenkugel.»
    «Hast du etwas gegessen?»
    «Ein wenig Brühe. Hat wie Pisse geschmeckt.»
    «Wie geht es deinem Hals?»
    «Besser. Etwas. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich hasse diese Kammer, sie erinnert mich an den Tower. Hast du deine Ärztin nicht mitgebracht?»
    «Nein, sie …»
    «Was?»
    «Ach, nicht so wichtig.»
    Aber natürlich war es wichtig. Wichtiger als alles andere.
    «Wir brauchen mehr Licht», sagte ich.
    Zwar zogen sich mir die Eingeweide vor Hunger zusammen, aber wir hatten durch unsere Heimlichtuerei bereits zu viel Zeit vertan. Ich stolperte zum Fenster, wo ich zwei Ständer mit Kerzen aus feinstem Bienenwachs fand,

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