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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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brüllte der Mann. Seine Lippen waren dick und feucht. «Bereitet euch vor!»
    Er drehte sich um, als wüsste er, dass ich da versteckt in den Schatten kauerte. Ein blöder Kerl, der einen Lederhut mit zwei Pfauenfedern trug, seine Ware stand in einer Kiste zu seinen Füßen.
    Es hatte aufgehört zu regnen. Ich lehnte mich unschlüssig zurück. Ich hätte den Schurken vor Gericht bringen können, aber so eine Verhandlung hätte mir nur noch mehr Aufmerksamkeit eingebracht, auf die ich gern verzichtete. Denn bei einem Prozess würde man mir Fragen danach stellen, worin meine Arbeit denn genau bestand, und ich müsste darauf antworten, und das hatte ich schon einmal mitgemacht. Weiß Gott, ja, das hatte ich.
    Außerdem hätte der Mann sich wahrscheinlich einfach aus dem Staub gemacht und es dem Wind überlassen, seine Pamphlete in den Gossen zu verteilen.
    Ich stützte mich auf den Karren. Es kam mir vor, als wäre ein Teil von mir als Geisel genommen worden und spielte nun gezwungenermaßen die ihm zugewiesene Rolle auf der öffentlichen Bühne. Als ob in der Zwischenzeit, während deren sich der Verstand von John Dee allein mit den Werken seiner Bibliothek beschäftigte, der
Zauberer
durch die Straßen wanderte und Dunkelheit verbreitete.
    «Woher sollen wir denn wissen, dass das alles wirklich von Dr. Dee stammt?» Eine Frau, sie klang ängstlich. «Woher habt Ihr die Voraussagen?»
    «Woher Ihr das wissen sollt?», schrie der Händler.
«Woher?»
    Offensichtlich spielte er auf Zeit.
    «Ganz recht», sagte jemand anderes, ein Mann in einem langen, grobgewirkten Umhang aus Kammgarn. «Welchen Beweis habt Ihr dafür, dass die Weissagungen von dem bekannten Dr. Dee stammen?»
    Es folgte ein Moment des Schweigens, während der Händler krampfhaft überlegte, welche Erklärung er dafür aus dem Hut zaubern sollte. Dann schnaubte er laut und drückte die Brust heraus wie ein stolzer Hahn.
    «Dr. Dee, mein werter Herr, ist ein Mann, der sich vor den Augen der Öffentlichkeit schützen muss. Ich hingegen bin sein Sekretär und Verleger, darf seine Worte unters Volk bringen, um den Männern und Frauen des Landes zu helfen, damit sie sich auf ihr Schicksal vorbereiten können. Es sind natürlich nicht seine eigenen Worte, versteht Ihr, denn er ist ein bescheidener Mann. Vielmehr sind es die Verkündigungen der Boten Gottes selbst, mit denen er dank seiner klugen Erfindungen kommunizieren kann.»
    «Ich nehme zwei», sagte ein Mann.
    «Das macht vier Pence.»
    Ich ertrug es nicht länger und trat aus der Gasse heraus.
    «Dann seid Ihr also …» Mir wurde speiübel, denn ich hatte Konfrontationen schon immer gehasst. «Ihr seid also Dr. Dees Verleger.»
    Keine Antwort. Meine Worte gingen in dem Geplapper unter. Ich rief noch einmal lauter.
    «Ihr arbeitet für Dr. Dee?»
    «Seit vielen Jahren, mein Freund.»
    Er sah mich nicht an, sondern übergab ein Pamphlet und griff nach dem Geld. Auf dem Deckblatt war das verschmierte Bild eines dunkel gekleideten Mannes zu sehen, dessen Bart ihm bis auf die Brust reichte. Er hatte die Hände zu den Sternen erhoben, die über seinem breitkrempigen Hut kreisten. Also wirklich!
    «Was für ein Mensch ist er denn so?»
    «Was?»
    «Dieser Dr. Dee.»
    «Ein sehr gelehrter Mann mit tiefen Einsichten.»
    «Sieht er dem Bild da ähnlich?»
    «Ja, es kommt ihm sehr nahe. Ich –»
    Der Händler unterbrach sich und schaute zu mir herüber. Seine Haut glänzte fettig, und auf seinem unrasierten Kinn prangte ein dickes Muttermal. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass er mich nicht kannte, verlor er schnell das Interesse. Was kümmerte ihn ein so einfach gekleideter Mann ohne Kopfbedeckung?
    «Bei dem langen Bart muss er ja wohl schon ein alter Mann sein, was?» Ich fuhr mir über das glatte Kinn.
    «Wenn Ihr kein Geld habt, mein Freund, solltet Ihr den anderen nicht im Weg herumstehen. Das Leben – wie Ihr im Pamphlet nachlesen könnt – ist zu kurz, um anderen Leuten die Zeit zu stehlen.»
    «Ihr habt die Frage nicht beantwortet. Woher sollen wir wissen, dass diese … Geschichten von Dr. Dee stammen?»
    «Und woher wollt Ihr wissen, dass das nicht der Fall ist?»
    «Weil ich …»
    Es begab sich zufälligerweise, dass gerade niemand sprach und einen Augenblick lang Stille herrschte.
    «… sie nicht geschrieben habe», erklärte ich.
    Zwar sprach ich leise, aber in dem Moment hätte ich es auch genauso gut von den Dächern schreien können.
    «Wer bist du, Mann?», wollte der

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