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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Zumindest hielt ich es für ein Grinsen, sein oberer Gaumen war vollkommen zahnlos – vielleicht hatte er die Zähne bei einer Prügelei verloren oder aber sie an einen Hersteller von Gebissen verkauft. Ich hätte ihn gern danach gefragt, aber …
    «Einer von den Männern seines Baumeisters wird meine jüngste Tochter heiraten», sagte er. «Die bekommen ganz genaue Anweisungen, wie er es haben will. Der schaut sich jeden verdammten Stein einzeln an.»
    Für Cecil war das Entwerfen neuer Häuser ein geschätzter Zeitvertreib, das war mir bekannt. Die Flut hatte unsere Reise beschleunigt, und als ich das dreistöckige Haus hinter einem käfigartigen Baugerüst aus Holzstreben fand, war ich eine Stunde zu früh da. Jetzt schon hineinzugehen hätte entweder den Eindruck von Übereifer oder Ängsten erweckt.
    Also ließ ich den Strand hinter mir und erreichte kurz danach eine Straße mit frischgestrichenen Läden, die vornehme Möbel, Wandbehänge und Lampen feilboten. Daran, wie die Käufer hier gekleidet waren, und an der fast vollständigen Abwesenheit von Kindern und Bettlern ließ sich ablesen, wie beliebt dieses Viertel geworden war. Hier war sogar der Gestank auf den Straßen weniger stechend, und die Damen trugen Bisamäpfel mehr als Symbol ihres gehobenen Standes denn zur Parfümierung der Luft.
    Es hatte zu regnen begonnen. Ich trat unter das Vordach einer Ladentür, wohin das Geschrei der Straßenverkäufer nur gedämpft drang. Nicht, dass es viele davon gegeben hätte – in einer Gegend, in der so bedeutende Männer wie Sir William Cecil wohnten, sorgten die Wachen schon dafür. Ohne den Regen wäre ich vielleicht in eine andere Straße weiterspaziert und hätte es nie mitbekommen …
    «… die Zukunft! Hört, was uns bevorsteht! Hört, wie die Welt in Dunkelheit und Seuchen versinken wird, bevor er kommt, zu richten die Lebenden und die Toten!»
    Blumige Verkündigung des Weltuntergangs. Irgendein Pamphletverkäufer. Sie wurden immer billiger, diese Pamphlete. Allgegenwärtig und furchtbar grell verbreiteten sie ihren Unrat mit ausgeschmückten Schilderungen von Morden, Hinrichtungen und Satansanbetung. Und immer häufiger wurde in solchen Pamphleten von den Puritanern die bevorstehende Apokalypse heraufbeschworen.
    «… lest selbst die schreckliche Voraussage des Sternenkundlers Ihrer Majestät! Dr. Dees Blick in die Zukunft!»
    Lieber Herr Jesu!
Schon war ich auf der Straße, schob mich ungeschickt an einem unbeaufsichtigten Karren vorbei und fand mich in einer engen Gasse wieder, während das Gebrüll des Mannes mich in die nach Pisse stinkenden Schatten verfolgte.
    «Hört, was die Zukunft bringt –
viel Zeit bleibt Euch nicht mehr.
»
    Mir brach der Schweiß aus, als ich halb versteckt beobachtete, wie sich eine beachtliche Menschentraube um den Pamphletverkäufer scharte. Respektierliche Leute, Frauen, deren Umhänge mit Pelz besetzt waren, Männer in den gerade modernen venezianischen Kniehosen. Allesamt begierig auf Enthüllungen über den Aufruhr im Himmel, die Entdeckung ferner Länder voller seltsamer geflügelter Wesen oder Nachrichten von irgendeinem neuen Krieg in Europa.
    Alles pure Erfindung natürlich, aber es gab zu viele Menschen, die alles glaubten, wenn es nur gedruckt war, und …
    … wussten sie denn nicht, dass diese Voraussagen
gar nicht von mir stammten
?
    Meine Aufgabe war es, den Lauf und Stand der Gestirne zu berechnen und ihren Einfluss auf die Geschicke der Welt zu deuten, auf das Gleichgewicht der Kräfte und Energien. Künftige Tendenzen, Möglichkeiten und Vorzeichen zu erkennen. Niemals jedoch eine genaue Prophezeiung abzugeben. Dafür reicht unser Wissen nicht aus, es wäre ein Akt des Wahns.
    Warum hatte mir von diesem Dreck niemand etwas gesagt?
    Gerüchte und Tratsch, Dr. John, Gerüchte und Tratsch.
    Jack Simms Stimme in meinem Kopf, als ich auf die Menschentraube zuging. Hatte Jack hiervon gewusst? Gab es noch mehr solcher Traktate über Zaubersprüche, Wahrsagerei und Geisterbeschwörung in einem gewissen Haus in Mortlake? Wussten außer mir alle davon?
    Der Kopf in den Wolken, wie immer, wenn die Nase nicht grad in Büchern steckt.
Meine Mutter.
Zu viel Zeit über den Büchern, Junge, was?
Sogar mein Vater einmal verbittert – der Mann, der einst so fest entschlossen war, mir die beste Bildung angedeihen zu lassen, die er sich leisten konnte.
    «Erfahrt den genauen Tag und die genaue Stunde und welch Unglück vorher über uns hereinbrechen wird!»,

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