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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Händler wissen.
    Ich wäre gern verschwunden, war aber vollständig von Menschen eingekesselt. Derlei hatte ich schon beobachtet. Warnungen vor dem Ende der Welt konnten fast zu Aufständen auf den Straßen führen, Angst erfüllte die Luft wie beißender Rauch.
    «Wer bist du?»
    «Sagt, er wär Dr. Dee», antwortete jemand.
    Es regnete wieder, und von den hohen Gebäuden hallte das Geklapper von Pferdehufen wider. Der Pamphlethändler beugte sich vor und hielt mir einen dicken Finger vor die Brust.
    «Hört Euch den Gauner an!
Ich bin John Dee!
»
    Vereinzelt Gelächter, jedoch schwach und unsicher. Ich erwiderte nichts, verschaffte mir nur einen schnellen Überblick über die versammelten Gesichter. Es schien niemand darunter zu sein, den ich kannte. Ich zog eine Handvoll Münzen aus der Tasche.
    «Also gut, dann nehme ich eins.»
    Der Verkäufer hielt mir ein Pamphlet hin, zog es aber hastig weg, als ich danach griff. In seinen Augen funkelte es böse und höhnisch.
    «Wenn Ihr Dr. Dee seid, wisst Ihr ja schon, was drinsteht.»
    Jemand lachte. Ich hielt dem hämischen Blick des Händlers stand.
    «Dee ist sowieso nur ein gewöhnlicher Zauberkünstler», sagte der Mann links neben mir.
    «Prophezeit doch mal etwas für uns.» Der Händler grinste schief. «Los, los. Eine Prophezeiung.»
    Jetzt bemerkte ich, dass er nicht allein war. Zwei Jungen von vierzehn oder fünfzehn Jahren trugen je einen Stapel seiner Hefte mit sich herum. Sie hatten sich damit unter die Leute gemischt, blieben nun aber stehen, und die Hand des einen fuhr zu seinem Gürtel.
    «Hütet Euch vor solchen Verbrechern!» Der Pamphlethändler wirbelte herum und wandte sich triumphierend wieder an die Menge. «Ein bartloser Jüngling wagt es, sich als Seher der Königin auszugeben. Also, kommt, Junge, sagt uns die Zukunft voraus.»
    Die Stimmung unter den Leuten schlug um wie ein launischer Sturmwind. Jemand fing an zu applaudieren, und der Pamphlethändler fiel mit seinen fleischigen Händen ein. Dann war die laute Stimme eines Mannes zu hören, kalt wie splitternder Stein.
    «Wahrsagerei ist Blasphemie!»
    Etwas Feuchtes traf mich an der Wange, und ich zuckte zusammen. Die beiden Jungen hatten ihre Pamphlete auf den Boden gelegt und starrten abwechselnd zu mir und ihrem Meister, als warteten sie nur auf einen Wink von ihm, mich zu erstechen und dann die Beine in die Hand zu nehmen.
    «Dr. Dee ist ein Dämonenbeschwörer!», kreischte eine Frau hinter mir.
    «Das habe ich auch gehört.» Eine andere Frau, älter. «Er spuckt auf die Bibel.»
    Jemand drückte sich gegen mich, mein Körper spannte sich an, wartete auf die schnelle Berührung von Taschendieben, das Aufblitzen einer Klinge. Einige der Herren, bemerkte ich, führten ihre Frauen weg. Ich schaute auf der Suche nach einem Fluchtweg über meine Schulter nach hinten.
    Und starrte direkt in ein bärtiges, dem meinen viel zu nahes Gesicht. Der Bart wurde von einem zahnlosen Grinsen geteilt. Harte Körper drückten sich gegen mich, es stank nach Bieratem. Der Händler vor mir redete sich in Rage, und die Augen seiner Pfauenfedern wippten links und rechts neben seinem Kopf auf und ab.
    «Los!», schrie er. «Prophezeit etwas für uns! Erzählt uns, wie Euer dunkler Gebieter über die Erde kommen wird!»
    Ich erstarrte und beobachtete das Wippen der Federn.
    Wilder Zorn ließ mich erzittern.
    «Also gut …» Ich merkte kaum, wie mir die Worte über die Lippen kamen. «Dann prophezeie ich dir, dass du noch vor Ablauf der Woche im tiefsten Verlies der Fleet Street einsitzen wirst, du –»
    Ein Unterarm legte sich um meine Kehle. Mein Kopf wurde nach hinten gerissen, meine beiden Arme gepackt und schmerzhaft auf den Rücken gedreht. Hart prasselte mir der Regen ins Gesicht.
    Dann eine Hand über meinem Mund und jemand drehte mich herum. Hinter mir stand ein Mann, der einen tief in die Stirn gezogenen Hut aus schwarzem Samt trug. Sein dunkler Umhang verdeckte nur unvollständig ein golden leuchtendes Wams. Es war, als blickte man in eine geöffnete Schatztruhe.
    «Schafft diesen Hochstapler fort», sagte er.

IV Zum Wohle des Königreichs
    S elbst an einem Tag wie diesem war das Zimmer vollkommen lichtdurchflutet. Fenster so groß, dass man hätte hindurchreiten können.
    Er hatte ihnen den Rücken zugewandt und saß hinter breiten, aufgebockten Eichenplatten. Auf der anderen Seite des Raums prasselte ein kleines Feuer.
    «Das hier ist nur eine bescheidene Hütte, das sage ich jedem. Ein

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