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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zu seinem Tisch.
    «Gibt es Hinweise», erkundigte ich mich, «dass jemand Bestimmtes sie heute in seinem Besitz hat? Und falls ja … wer?»
    «Das weiß ich nicht. Darüber kursieren am Hof der Königin unzählige Gerüchte, und jedes Vögelchen zwitschert ein anderes Lied.»
    Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs wirkte er wütend. Cecil war ein Pragmatiker, ein Mann der Tat, ein Kämpfer. In der Welt der modernen Politik, ja, der hohen modernen Politik, in der er mitspielte, tat man sich schwer mit derlei Aberglauben.
    «John, ich kann Euch nur eines sagen. Bei meinem vorletzten Zusammentreffen mit der Königin hat sie mir zwei Fragen gestellt. Zunächst, ob es eine hochstehende Familie in Glastonbury gäbe, bei der sie einen … einen Besuch machen könnte.»
    Cecil war bekanntermaßen durchaus dafür, dass die Königin den Familien, die sie unterstützten, längere Besuche abstattete, weil dies den Staatssäckel schonte. Man sparte währenddessen die ungeheuren Kosten für die Hofhaltung, manchmal sogar wochenlang. Üblicherweise befanden sich die ausgewählten Häuser allerdings nicht allzu weit von London entfernt, um eine beschwerliche Reise zu vermeiden. Nach Glastonbury aber brauchte man mehrere Tage.
    «Sie hat wohl, wahrscheinlich durch ihre Lektüre, herausgefunden, welch mythische Bedeutung Glastonbury hat. Man erzählt sich, sie hätte Visionen. Das ist allerdings eher Euer Metier, nicht meins. Nun, jedenfalls hat
irgendetwas
sie auf diese Idee gebracht. Es scheint fast, als hätte sie eine Entdeckung von größter Wichtigkeit gemacht.»
    Die Kohlen im Kamin waren ausgebrannt, Cecil hätte einen Diener rufen können, um nachschütten zu lassen, stattdessen starrte er in die letzte weiße Glut.
    «Und welches war die zweite Frage, die die Königin Euch gestellt hat?»
    Sein Gesicht verfinsterte sich. Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
    «Sie wollte wissen, was es kosten würde, Glastonbury Abbey in voller Pracht wiederaufzubauen.»
    «Recht teuer», sagte ich.
    «Teuer?»
Cecil schlug auf die Tischplatte. «Gütiger Herr, die Abtei war der verdammt noch mal größte und schönste Kirchenbau im gesamten Land.»
    «Ah.»
    Ich stand auf. Mir war immer noch nicht klar, worum es hier eigentlich ging. Wenn der Vater der Königin absichtlich alle Beweise für Artus’ Sterblichkeit hatte verschwinden lassen, obgleich an deren Echtheit ohnehin Zweifel bestanden, wieso wollte Elisabeth sie dann unbedingt wiederbeschaffen?
    «Gut», sagte Cecil. «Verschwenden wir also keine weitere Zeit. Falls diese Gebeine existieren, müssen wir sie haben. Obwohl sie seit vierhundert Jahren nichts als Unglück und Ärger einbringen.»
    Mein Wams war dünn, und ich fror.
    «Sir William … Ich kenne weder Glastonbury noch einen Bewohner der Stadt.»
    «Setzt Euch, John. Ich bitte Euch ja nicht, nur mit einem Spaten über der Schulter und einer Laterne in der Hand dorthin zu reisen.»
    Ich nahm Platz. Cecil drückte die Fingerspitzen gegeneinander.
    «Wir kennen einander nun seit vielen Jahren. Es gab Meinungsverschiedenheiten in der Zeit, das will ich nicht leugnen. Doch jetzt müssen wir zusammen alles unternehmen, um für das Wohlergehen der Königin zu sorgen. Das körperliche ebenso wie … das seelische. Und derzeit scheint … ihre Seele an etwas zu kranken.»
    «Hat sie mit Euch darüber gesprochen?»
    «Mit mir spricht sie nicht über dergleichen. Doch zweifellos wird sie zu gegebener Zeit bei Euch Hilfe suchen. Ihr seid ihr Berater in allen Dingen, die nicht von dieser Welt sind. Ihr … Merlin, sozusagen.»
    Die Wendung, die dieses Gespräch nahm, gefiel mir gar nicht. Cecil senkte den Blick und musterte den Tisch.
    «Wir kennen alle beide ihre Stärken und … Schwächen.»
    Er meinte ihre Unentschlossenheit. Sie quälte sich mit manchen Fragen zu sehr und schwankte dann hin und her, ohne sich entscheiden zu können. Ein Beispiel dafür waren ihre widersprüchlichen Ansichten in religiösen Dingen – sie brachte es einfach nicht über sich, die Mystik der katholischen Messe endgültig aufzugeben. Ebenso wie ich.
    «Ein Wiederaufbau ist ganz unmöglich», sagte Cecil. «Selbst wenn das Geld dafür vorhanden wäre. Glastonbury Abbey ist einfach zu groß und kaum mehr als eine Ruine. Aus den Steinen der alten Abtei hat man inzwischen in der ganzen Gegend neue Häuser errichtet. Nein, völlig außer Frage. Wenn wir allerdings die Gebeine fänden … könnten wir die Königin vielleicht damit

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