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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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meine Mutter gilt das nicht. Und sie müsste allein in Mortlake zurückbleiben, wo ich anscheinend von all den neuen Puritanern gehasst werde, weil sie fürchten, ich würde mich an ihren Familiengräbern vergehen.»
    «Dann werden wir eben für die Sicherheit Eurer Mutter sorgen.» Wie zwei Marionetten kamen seine Hände unter der Robe zum Vorschein. «Ich werde für die Dauer Eurer Abwesenheit bewaffnete Wachen nach Mortlake schicken. Einer der Männer soll sogar auf Eure geheiligte
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aufpassen. Was sagt Ihr?»
    «Nun, ich glaube, es ist nicht notwendig, dass –»
    «Gut, also ist es abgemacht.»
    «Dann wäre da aber noch meine Arbeit. Schon jetzt habe ich diesbezüglich viel aufzuholen.»
    Cecil sammelte die Briefe zusammen. Er sah mich nicht einmal an.
    «
Dies hier
», sagte er, «ist nun Eure Arbeit.»
     
    Die Geschichten über die Mätressen und die Misshandlung seiner Kinder hatte er sich nur ausgedacht, um mir etwas zu entgegnen. Dennoch gab es tatsächlich Gerede über Sir William Cecil, meist ging es dabei um seine Abstammung. Dass er der Sohn eines Schankwirts sei, betonte man immer wieder, so wie man bei mir stets darauf hinwies, dass mein Vater am Königshof die Speisen aufgetragen habe.
    Aber ist es denn wirklich so beklagenswert, dass wir nun in einer Zeit leben, in der die eigenen Fähigkeiten manchmal entscheidender sind als die Familie, aus der man stammt?
    Ich denke nicht, obwohl ich die Abstammung für bedeutsam halte, wenn auch aus Gründen, die wir uns bisher nicht einmal vorstellen können. Für meinen Vater hingegen war all das ganz einfach gewesen: Er war Waliser, und nachdem nun die Tudors aus Wales den englischen Thron bestiegen hatten, war dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Ich bin Rowland Dee und ein Mann aus Wales!,
erklärte er mit einer Hand über dem Herzen, den anderen Arm vor sich ausgestreckt, und sprach dabei mit einem komischen, gekünstelt breiten Akzent.
    Manchmal hatte er es sogar auf Walisisch wiederholt. Was ihm am Hofe von Heinrich VIII . keinen Pfifferling eingetragen hätte, vermute ich, weil dieser sich meist einen Dreck um Wales scherte. Bei seinem Vater, dem ersten König der Tudors, lagen die Dinge da schon anders. Der war aus Frankreich übergesetzt, im Westen von Wales an Land gegangen und dann mit einer stetig wachsenden Armee in die Schlacht gezogen wie die sagenumwobenste Gestalt Englands.
    Wie König Artus selbst. Die Legende erzählt, Artus sei nicht tot, sondern schlafe nur und würde dereinst zurückkehren, wenn sein Volk ihn brauche.
    Und so war Artus als Heinrich Tudor wiederauferstanden, und mit ihm ein altes und geeinteres Britannien. Heinrich hatte Elizabeth von York geheiratet und damit die rote mit der weißen Rose versöhnt. Um den Anspruch seiner Familie auf den Thron zu unterstreichen, hatte er sogar seinen erstgeborenen Sohn und Erben auf den Namen Arthur taufen lassen und dafür gesorgt, dass er in Winchester das Licht der Welt erblickte – der Stadt, von der Malory behauptete, sie sei einst Camelot gewesen.
    Ein Geniestreich. Ich wusste, dass die neue Königin fasziniert war von dieser mythischen Verbindung ihrer Familie mit den alten Sagen und zweifellos begriff, welche symbolische Macht davon ausging.
König Artus. Unser königlicher Vorfahr,
hatte sie zu mir gesagt. Und wäre die stets wachsame Blanche Parry nicht im winterlichen Obstgarten aufgetaucht, hätte die Königin mir noch mehr anvertraut.
    «Sie ist eine junge Frau», sagte er nun. «Sie ist klug, belesen und kennt das Leben bereits. Und angesichts des traurigen Zustands der Staatskasse verhält sie sich lobenswert besonnen. Dennoch ist sie in ihrem Alter immer in Gefahr, zum Opfer großer Schwärmerei zu werden. Was durchaus zu Schwierigkeiten führen könnte. Zu Schwierigkeiten für sie selbst.»
    «Glaubt sie, es müsse ihr als Frau gelingen … in Artus’ Gewänder zu schlüpfen?»
    Ich sah hierin keinen Widerspruch. Die Königin war nicht bloß die Guinevere der Artus-Sage, ja, nicht einmal Morgan le Fay, die Zauberin, sondern etwas weit Bedeutenderes und Schillernderes. Daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel, und ich kam mir bei dem Gedanken auch weder närrisch noch verstiegen vor, denn dies waren eigenartige und wundersame Zeiten.
    Und so wartete ich, während Cecil seinen Wein austrank, und beobachtete dabei, wie das Licht der Wintersonne zwei Einhörner auf einem neuen Wandteppich scheinbar zum Leben erweckte. Cecil blieb davon unberührt;

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