Die Gebeine von Avalon
Wunder bewirken. Wie dem auch sei … zuerst sollten wir uns ansehen, was von der Abtei noch übrig ist. Und falls wir danach einen handzahmen ehemaligen Mönch finden …»
«Den Hufschmied.»
«Genau. Den befragen wir.» Dudley zitterte. «Ich hoffe, der Kerl hat auch uns einen Ziegel ins Bett gelegt.» Er musterte mich. «Woran denkst du, John?»
Seitdem wir London verlassen hatten, fanden wir nun zum ersten Mal wieder Gelegenheit, uns in Ruhe miteinander zu unterhalten. Ich hätte gern vorsichtig mit ihm über Elisabeth, ihre Mutter und die Hasen gesprochen. Vielleicht morgen.
«Was ist, wenn wir nun doch nur irgendwelchen Hirngespinsten nachjagen?», begann ich stattdessen. «Vielleicht befinden die Gebeine sich längst in London. Wäre es nicht möglich, dass sie schon bei der Auflösung der Abtei auf besonderen Befehl von Cromwells Männern fortgeschafft wurden?»
«Das wüssten wir. Zumindest Cecil wüsste davon.»
«Oder sie sind einfach vernichtet worden.»
«Das ist schon wahrscheinlicher. Für den fetten Heinrich waren sie wahrscheinlich das Symbol einer alten Intrige der Plantagenets, um den Mythos von der Unsterblichkeit des walisischen Helden auszulöschen. Mit ihrer Vernichtung könnte er gleichsam jede Hoffnung der Plantagenets, jemals wieder auf den Thron zurückzukehren, zertrümmert haben. Ich …» Dudley fuhr sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete danach den Schweiß, den er abgewischt hatte. «Ich weiß nicht, John, ich fühle mich … ich habe mich von der Romantik dieser ganzen Geschichte überwältigen lassen – Avalon, die Gralssuche. Aber wenn man sich dieses Scheißhaus von einer Stadt hier anschaut …»
«Morgen sieht die Welt bestimmt wieder ganz anders aus.»
«Und jetzt habe ich einen trockenen Hals und Kopfschmerzen. Eine Erkältung hat mir gerade noch gefehlt. Du hattest recht. Wir hätten bis zum Ende des Sturmes irgendwo einkehren sollen. Dieser
verdammte
Carew mit seinem beinharten Getue.»
«Leg dich schlafen», riet ich.
†
Da das George Inn keine anderen Gäste beherbergte, konnten wir zwei getrennte Kammern im oberen Stockwerk beziehen, während unser Gefolge im Erdgeschoss untergebracht war. In meiner Kammer befand sich ein quietschendes, morsches Bett, an dem ein Bettpfosten lose war, und die Bettvorhänge waren so staubig, dass ich sie abnahm. Ein Bett mit zugezogenen Vorhängen kann einem wie ein Kerker vorkommen, wenn man des Nachts aus einem üblen Traum aufschreckt.
In meiner Reisetasche hatte ich einige Bücher mitgebracht, die ich auf dem Tisch beim Fenster stellte. Die Fensterscheibe schien zum Teil aus Buntglas zu bestehen, aber im Licht der einzigen Kerze konnte ich kaum etwas erkennen.
Ich kniete vor dem Fenster nieder und bat Gott um seinen Segen für unsere Aufgabe, dann betete ich für das Wohlergehen meiner Mutter. Ich kann mich kaum noch entsinnen, wie ich ins Bett kam. Die Bettvorhänge legte ich über die Decke, damit es wärmer wurde. Mir hatte man keinen heißen Ziegel ins Bett gelegt.
Woran ich mich als Nächstes erinnerte, erschien mir mehr wie aus einem Traume.
Ich habe einen leichten Schlaf, und so wachte ich nach höchstens einer Stunde wieder auf, als ich das Knarren einer Tür vernahm.
Eine Weile lauschte ich den vorsichtigen Schritten auf der Treppe, aber als ich hörte, wie unten die Tür entriegelt wurde, sprang ich aus dem Bett und lief ans Fenster. Sogleich zog ich die Vorhänge fest um mich, denn in meiner Kammer brannte kein Feuer und war es unfassbar kalt.
Das Fenster befand sich direkt neben dem Herbergsschild des George Inn; das rote Kreuz des heiligen Georg war darauf abgebildet, aber in der Dunkelheit wirkte es eher grau. Unter mir sah ich die Umrisse eines Mannes, der vom Kopfsteinpflaster in den Schlamm trat. Er blieb kurz stehen und lehnte sich zurück, die Hände in die Hüften gestemmt.
Dudley?
Auf der anderen Straßenseite befand sich die Mauer der Abtei, dahinter ragten die großen, einsamen Steinfinger der Ruine auf. Nach einer Weile ging der Mann dicht an der Mauer die Straße entlang, bis er in der Dunkelheit verschwand. Ein Mann der Tat, der keine Ruhe fand, wenn er alleine schlief.
Ein Mann, der seiner Königin ein so großartiges Symbol ihrer royalen Abstammung verschafft … etwas, das ihrer Regentschaft eine fast mystische Aura verleiht … ein solcher Mann … darf sich seines Lohns gewiss sein.
Mein Lohn würde die Entdeckung alter Bücher werden, die in aller
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