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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Weib.»
    Er begann zu husten. Vom Cider hatte er kaum etwas getrunken, weil ihm davon übel wurde, wie er sagte.
    «Frauen sind nicht allesamt schwach, Robbie», stellte ich fest. «Gerade du solltest das doch …»
    «Ja, ja, ich weiß.» Er rollte sich auf die Seite, sein Gesicht sah im Licht des Buntglases so gescheckt aus wie das Gefieder eines Hahnes. «Ich weiß es, Herrgott noch mal. Aber sag mir eines … sag es mir … wie kann man ein Land gut regieren und dabei trotzdem ganz Frau bleiben?»
    «Vielleicht hilft es ja, wenn die Bürde der Macht mit einem ehrenwerten Mann geteilt wird.»
    Ich dachte dabei an Cecil, aber Dudley schrie auf.
    «Das hätte
ich
sein sollen …» Heiß schossen ihm die Tränen in die Augen. «Ich wäre einfach der
Richtige
gewesen. Mein Vater ist dafür gestorben, John, und wenn ich hier jetzt auch sterben sollte …»
    «Lieber Himmel, du stirbst nicht –»
    Er hob seine schlaffe Hand, um abzuwiegeln, schloss die Augen und atmete schwer. Dann versuchte er zu schlucken, aber seine Kehle war zu trocken. Als sich seine Augen blinzelnd wieder öffneten, war sein Blick hoffnungslos und leer.
    «Ich wusste, dass es so kommt.»
    «Was meinst du?»
    «Dass der Tod mich holen würde. Ich hätte nicht gedacht, dass es so früh geschieht, aber Gott weiß, dass ich es verdient habe.»
    «Dann berichte mir, wie der Tod aussieht», sagte ich und seufzte.
    «Ein alter Mann. Ein trauriger alter Mann.»
    Ich schwieg.
    «Mit beiden Beinen über dem Boden schwebend, blickt er voll schrecklichen Mitleids auf mich herab. Das Licht des weißen Mondes scheint durch ihn hindurch, lässt das Weiße in seinen Augen erglühen. Und kalt ist er, John. Wirklich, wirklich … kalt.»
    Fieberwahn.
    «Und er wusste es, Gott steh mir bei,
er wusste, was ich bin.
»
    Dudleys Hände krallten sich in die Decken, seine Fingerknöchel waren weiß wie Elfenbein. Von der Straße her vernahm ich Kindergeschrei.
    «Das ist nur ein Fiebertraum, Robbie.»
    «Ich konnte durch ihn hindurchsehen.» Sein leerer Blick verlor sich im Nichts, als er an die Decke starrte. «Und er … er
wusste
es.» Jetzt bleckte er die Zähne und saugte scharf Luft ein. «John, ich bin nicht besser als ein Stück Scheiße.»
    «Lass –»
    «Nein! Ich muss es dir sagen. Muss meine Beichte ablegen.» Sein Kopf neigte sich mir zu. «Du wurdest doch geweiht, oder etwa nicht, John?»
    «Nein!» Ich wäre fast vom Bett gefallen. «Nein, nein,
nein …
»
    «Bonners Seelsorger? Pfarrer von … irgendwo.»
    «Nein …» Abwehrend hob ich die Hände. «Ich habe damals nur das Gelübde geschworen, um mir das Einkommen des Pfarramtes in Upton zu sichern. Ich rette keine Seelen, also wirst du mir verdammt noch mal auch
nichts
beichten.»
    «Gott steh’ mir bei, aber sie hat sich in letzter Zeit nicht wohl gefühlt.»
    Sie?
    Frag nicht nach. Frag nicht nach. Frag –
    «Wer?», flüsterte ich.
    Für einen Moment schwieg er. Wie er da im roten Lichte des Buntglases in seinem Bett lag, wirkte er wie sein steinernes Ebenbild in einer Gruft.
    Das Schweigen währte fort. Und dann quollen die Worte aus ihm heraus, als wären es nicht die seinen, sondern die eines bösartigen Geistes, der von ihm Besitz ergriffen und seine Gedanken vergiftet hatte.
    «Und beinahe wünschte ich, dass sie … aus meinem Leben verschwände.»
    Er stützte sich auf den Ellbogen und starrte durch mich hindurch, als wäre noch jemand außer uns in der Kammer.
    «Nun ja, was heißt schon beinahe, wenn es ums Wünschen geht.» Er grinste boshaft in seiner seelischen Pein. «Ich wünschte es mir
tatsächlich …
dass es sie nicht mehr gäbe …»
    «Robbie.»
    «… noch vor dem Morgengrauen. Ganz leise von einer plötzlichen Krankheit dahingerafft, wenn die Nacht am dunkelsten ist.»
    «Du weißt nicht, was du sagst.»
    «Ohne zu leiden. Niemals hätte ich gewollt, dass sie leidet.»
    Ich wandte mich ab. Wollte woanders sein. Wollte nicht wissen, was er damit meinte. Und wappnete mich innerlich, da ich wusste, dass er Amy Robsart, die Tochter eines Gutsherren, im Alter von achtzehn Jahren geheiratet hatte, als er glaubte, Elisabeth nie für sich gewinnen zu können.
    Aber nun stand er Elisabeth näher als je zuvor. Skandalös nah. So nah, dass sie ihn mit Geschenken und Ländereien überhäufte, während Amy …
    Amy lebte auf dem Lande.
    «Er wusste es», flüsterte Dudley. «Ich konnte dem alten Mann ansehen, dass er es wusste.»
    «Dein Vater? Ist dir der Geist deines

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