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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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über den Hahn in der Abtei erzählt hatte. Oder über die Säuglinge, denen man angeblich bei einem Ritual die Kehle aufgeschlitzt hatte.
    «Durch Ritualmagie?», bohrte ich nach.
    «Wenn die neue Religion aus den Fugen gerät, wenden sich manche wieder einer älteren zu.»
    Monger, der Hufschmied, ließ seinen Blick gemächlich über die vor uns liegende Ansammlung der verstreuten Häuser schweifen. So wie ein Schachspieler, der das Brett studiert. Und ich war der Springer, der wegen der Eigentümlichkeit seiner Zugmöglichkeiten seine nächsten Schritte selbst nicht genau vorhersehen konnte.
    Der Hufschmied ließ seine grauen Augen nun auf mir ruhen.
    «Auf welcher Seite steht
Ihr
, Dr. Dee?», murmelte er. «Wo Euch doch diese Stadt sicherlich von allen Städten Englands am meisten am Herzen liegt.»

XXII Pechschwarz
    M anchmal hatte ich das Gefühl, dass ich trotz all meines Wissens immer noch wie ein kleines Kind war, das mit ahnungslosen großen Augen in die Welt blickte. Weil ich schon früh aufs College geschickt worden war und die Nase nur selten aus den Büchern gezogen hatte, war ein Teil meines Wesens unterentwickelt geblieben. Es gab vieles in dieser Welt, was ich nicht verstand, während sich weniger Gebildete mühelos darin bewegten.
    Ein Kind von zweiunddreißig Jahren. Dudley wusste das auch.
Wie du in den Kloaken von Paris und Antwerpen überlebt hast …
    Die Wahrheit lautet schlicht und ergreifend, dass ich in die Kloaken von Paris und Antwerpen nie einen Fuß gesetzt habe, sondern meine Zeit dort ausschließlich in den Vorlesungssälen und Bibliotheken verbrachte.
    Nun fühlte ich mich innerlich taub und nackt, während ich dem Hufschmied zu einer miesen Kaschemme am oberen Ende der Stadt folgte.
    In ihrem dunklen, nach Cider riechenden Bauch setzten wir uns neben den rußgeschwärzten Kamin, in dem ein Torffeuer brannte. Die fleckige Decke über uns hing zwischen den Holzbalken beunruhigend durch, und mein Kopf schwirrte vor Fragen, die ich nicht stellen wollte.
    Ich drückte mich in die dunkle Ecke und beobachtete ein vielleicht fünfzehnjähriges Mädchen dabei, wie es in einem Krug aus Steingut Cider servierte. Monger wartete an der Theke hinter zwei Bauern, vier weitere saßen im Raum verteilt auf Hockern. Die einzigen Gespräche, die ich aufschnappen konnte, drehten sich um den Verkaufspreis für Schafe, als Monger auch schon zurückkam, zwei Becher auf den Tisch stellte und mir gegenüber auf einem dreibeinigen Hocker Platz nahm.
    «Nel war’s», sagte er und strich sich das Haar hinter die Ohren.
    «Was?»
    Monger trank den Cider bewusst langsam, auf die gleiche Art, wie William Cecil es bei seinem Glas edlen Weins getan hatte.
    «Die Leute hier interessieren sich für Euch und Eure Arbeit. Die Suchenden lesen Pamphlete darüber, die sie untereinander austauschen.»
    Lieber Gott, schon wieder
Pamphlete
!
    «Inzwischen dürftet Ihr ja begriffen haben, dass es für viele Leute hier in der Stadt nicht unbedingt einer Beleidigung gleichkommt, wenn man jemanden einen Zauberer nennt.»
    Das Feuer spuckte schwache gelbe Flammen. Mein Mund war trocken, ich vermochte jedoch nicht zu trinken.
    «Ein Mann im Fieberwahn», sagte Monger, «ist sich seiner Indiskretionen später selten noch bewusst. Doch selbst in seiner Umnachtung kann er noch den vollen Namen seines Freundes rufen.»
    «Oh.»
    Ich trank einen Schluck starken Cider.
    «Der Name allein ist natürlich noch kein Beweis», sprach Monger weiter. «Nicht wenige Männer heißen so. Deshalb wollte die arme Nel zunächst ihren Ohren nicht trauen.»
    «Wem hat sie es noch gesagt?»
    «Nur mir, nach vielem Hin und Her … weil sie hoffte, ich könnte ihre Vermutung bestätigen.»
    «Und Ihr habt Euch nun von der Richtigkeit ihrer Vermutung überzeugt?»
    «Wobei ich durchaus ein Risiko eingegangen bin. Immerhin hätte es sich durchaus herausstellen können, dass Ihr bloß im Dienste der Königin hier seid.»
    «Aber das
bin
ich doch auch!»
    «Ja», entgegnete er. «Und das gefällt uns an Euch.»
    Ich fühlte, dass er lächelte, wenn es auch zu dunkel war, um es wirklich zu erkennen.
    «Welcher einfache Beamte», fragte Monger, «würde schon Agricola, den Wünschelrutengänger, kennen?»
     
    †
     
    Und anderen Umständen hätte ich vielleicht darüber gelacht. Jetzt erkannte ich natürlich all die kleinen Fallen, die man mir gestellt hatte. Die gewagten Dinge, die Mistress Borrow zu mir gesagt hatte:
    Manch Kraut pflanzt man besser

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