Die Gebeine von Zora
Sterne.
Roqir stand bereits hoch am grünen Krishnahimmel, als drei bewaffnete Reiter auf Shomals (großen krishnanischen Vierbeinern, die aussahen wie Kamele ohne Höcker) den Strand herauf trabten. Als sie die drei Ertsuma sahen, zwei nackte und einer in fadenscheinigen terranischen Unterhosen, die da ausgestreckt im Sand lagen und schliefen, hielten sie an. Das Geräusch ihrer Stimmen ließ den jüngeren der beiden Männer aufwachen.
»Qararuma?« fragte Reith schlaftrunken.
»Ja«, antwortete der Reiter in silbernem Kettenhemd, offenbar der Anführer der drei. »Ich bin Sir Hulil, und dies sind meine Soldaten. Der Brand eines Schiffes vor diesem Abschnitt der Küste ward uns gemeldet. Könnt Ihr uns etwas darüber sagen?«
»Und ob ich das kann!« sagte Reith. »Ich könnte Euch eine Geschichte erzählen …« Er stieß Alicia und Marot an. »He, aufwachen, ihr zwei! Es ist Hilfe eingetroffen! Aristide, jetzt kommst du endlich doch noch in den Genuss einer Zugreise!«
XII.
Der Seehafen
Als die ersten Vororte am Fenster ihres Waggons vorbeischaukelten, rief Reith über das Rasseln der Kupplungen, das Quietschen der Achsen, das Knarren der hölzernen Waggongehäuse und das Stampfen der sechs Säulenbeine ihrer Lokomotive auf den Schwellen hinweg: »Wir müssen uns jetzt überlegen, wie wir nach Novo kommen. Bákh sei Dank ist Majbur ein Ort, wo wir kreditfähig sind. Wir können uns Ayas kaufen und reiten oder uns auf einem Flussboot einschiffen. Diese Boote kommen flussaufwärts jedoch nur sehr langsam vorwärts; wenn wir reiten, sparen wir wahrscheinlich ein paar Tage.«
Alicia stöhnte: »Ich bin ziemlich erschöpft nach allem, was wir durchgemacht haben, Fergus. Bevor ich mich wieder auf einen Aya setze, müsste ich mich erst einmal richtig erholen.«
»Erlaube mir, ähnliche Gefühle auszudrücken«, sagte Marot. »Ich bin auch sehr erschöpft. Wie lange dauert die Reise mit dem Boot?«
»Lass mich überlegen! Von hier bis Novo sind es ungefähr dreihundertsiebzig Kilometer. Bei normalem Tempo flussaufwärts wären das …« Er schloss die Augen. »… wären das mindestens neun Tage. Sagen wir, zehn oder elf, wenn wir die Aufenthalte mit hinzurechnen. Mit dem Aya würde es fünf oder sechs Tage dauern.«
Marot sagte: »Die bauen hier hervorragende Kutschen. Könnten wir uns nicht ein solches Gespann kaufen oder meinetwegen mieten und damit nach Novo fahren? Das wäre jedenfalls bequemer, als im Sattel zu sitzen.«
»Hast du ein solches Gespann schon mal gefahren?«
»Helas, nein! Diese Art der Fortbewegung habe ich nie gelernt.«
»Ich auch nicht«, sagte Reith.
»Aber Fergus!« flachste Alicia. »Ich dachte, du könntest alles, wie Ivan Skawinsky Skawar.«
»Da muss ich Euch leider enttäuschen, Holdeste. Aber ich kann ja versuchen, es zu lernen.«
»Könnten wir nicht einen Kutscher mieten?« ließ Marot nicht locker.
»Das ginge schon; aber für den ganzen Kram, den wir dabei erledigen müssten: Ayas kaufen, eine geeignete Kutsche auftreiben, einen Kutscher finden, und so weiter, würden allein schon mindestens drei Tage drauf gehen. Wann musst du spätestens in Novo sein?«
Marot: »Ich habe einen Platz auf der Junta gebucht. Die geht in … mal eben nachrechnen … in etwas mehr als einem Monat.«
»Und du, Alicia?«
»Ich habe keine festen Pläne«, sagte Alicia, wobei sie ihre Hände betrachtete. »Wenn die Juruá eine Überweisung für mich mitbringt, dann habe ich mir gedacht, dass ich wohl nach Suruskand fahre und das dortige System erforsche. Wenn nicht, fliege ich wohl zurück zur Erde, das heißt, falls noch ein Platz auf dem Schiff frei ist und ich jemanden finde, der mir das Geld für die Passage vorschießt. Ansonsten …« Sie zuckte die Achseln und schaute forschend Reith an, in dessen Gesicht jedoch keine Reaktion zu lesen war. Sie fuhr fort: »Wenn innerhalb der nächsten paar Tage ein Flussboot gehen sollte, hätten wir massig Zeit, um rechtzeitig vor dem Start der Juruá nach Novo zu kommen. Ich habe außerdem noch einen Grund, warum ich die Reise per Boot vorziehen würde.«
»Und der wäre?« fragte Reith.
»Sobald ich mir Stifte und Papier besorgt habe, will ich anfangen, meine Aufzeichnungen noch einmal neu aus dem Gedächtnis zu schreiben. Ein ruhig dahingleitendes Flussboot ist dafür ein idealer Ort. In einer Kutsche könnte ich das unmöglich, und schon gar nicht im Sattel eines Ayas.«
Mit quietschenden Bremsen und unter dem Gebrüll des Treibers
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