Die Gebeine von Zora
Teil dazu beitragen, das schreiende Unrecht, das diesen armen Sklaven widerfährt, zu beenden. Was wäre daran so schlimm, habe ich mir gedacht. Vizman rückte mit seinem Plan aber erst heraus, als wir schon beim Essen saßen. Was hätte ich tun sollen? Ich hätte ja wohl schlecht quer über den Tisch rufen können: ›He, Fergus, der Präsident möchte heut Nacht mit mir vögeln! Ist es dir recht, Darling?‹ Ich bat ihn erst einmal um Bedenkzeit, in der Hoffnung, Gelegenheit zu haben, die Sache mit dir zu besprechen. Aber nein, Vizman wollte meine Antwort sofort haben. Ich musste mich also. schnell entscheiden, und ich entschied mich für das, was ich für das Richtige hielt.«
Reith nickte. »Zweifellos hast du das getan, was du für das Richtige hieltest. Und ich tue jetzt das, was ich für mich für das Richtige halte. Aber lass uns diese ganze unfreundliche Geschichte jetzt nicht noch einmal von vorn bis hinten durchkauen.«
»Oh, okay, Mister Neo-Puritaner. Wenn dich dein Primärtrieb allzu sehr bestürmen sollte, kannst du jederzeit zu mir kommen; du weißt ja, wo du mich findest.«
Reith wechselte demonstrativ das Thema. »Wie wär’s, wenn wir jetzt mal über den Einkaufsbummel reden, auf den wir uns schon so lange gefreut haben? Ich schlage vor, wir kaufen heute alles, was wir an Bedarfsartikeln brauchen, und morgen sehen wir uns dann nach ein paar schönen Sachen um.«
»Oh, prima!« jauchzte sie, fasste seinen Kopf und drückte ihm einen saftigen, schmatzenden Kuss auf den Mund. »Ich wünsche mir so ein Kleid wie das, was die Sainians mir geschenkt haben.« Ihre Augen leuchteten auf mit dem wilden Glanz eines Raubtieres, das sich an sein Opfer heranpirscht.
Als Reith wieder auf seinem Zimmer war, sagte Marot: »Gehe ich richtig in der Annahme, dass eure Affäre damit beendet ist, mein Freund, fini?«
»Das hast du richtig erkannt.«
»Wirklich jammerschade. Ich werde mein Einzelbett vermissen; du neigst dazu, dich während des Schlafes ständig herumzuwälzen und hochzuschrecken und mit den Zähnen zu knirschen.«
»Wenn du willst, frag ich Khamine …«
»Nein, nein, bemüh dich nicht! Ich habe doch nur Spaß gemacht. Aber die Kleine – ich bin sicher, dass sie ihre Mesalliance mit diesem soi-disant Präsident aufrichtig bereut. Sie hat mir die ganze Geschichte ausführlich erzählt, nachdem du den Palast verlassen hattest. Er hat sie geschickt in eine Situation manövriert, wo sie sich zwischen ihren Idealen und ihrer Liebe zu dir entscheiden musste.«
»Dass sie mit Vizman geschlafen hat, hätte ich ja vielleicht mit der Zeit verdaut, wie die Affäre mit Foltz ja auch. Was ich ihr aber nicht verzeihen kann, ist, dass sie versucht hat, mich mit Schnaps und dem Tanzmädchen hinterhältig aus dem Verkehr zu ziehen. Es gibt Menschen, denen kannst du vertrauen – es sind leider nur sehr wenige –, und solche, denen du nicht vertrauen kannst. Bis zu jener Nacht hatte ich gedacht, sie gehört zu den ersteren.«
»Aber sieh doch mal, Vizman hatte die Sache bewusst so eingefädelt, dass sie keine Zeit hatte, die Alternativen gegeneinander abzuwägen. Und als er ihr einen scheinbaren Weg eröffnete, der es ihr ermöglichte, sowohl ihre Ideale als auch deine Liebe zu behalten, gab sie der Versuchung nach. Hast du noch nie einer Versuchung nachgegeben?«
»Doch, das habe ich«, erwiderte Reith und erinnerte sich, wie er seinerzeit in die unglückselige Affäre mit Prinzessin Vázni geschlittert war. »Die ganze Geschichte ist von vorne bis hinten verkorkst und gewiss auch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Trotzdem will ich nicht mehr zu ihr zurück. Wenn du um sie werben willst, Aristide, ich stehe dir nicht im Weg.«
»Du meinst, in deinem Namen werben, als Postillon d’amour sozusagen?«
»Nein, ich meine, in deinem eigenen Namen.«
Marot warf die Hände hoch. »Da mögen die Götter vor sein! Wenn du, mit all deiner Erfahrung und Persönlichkeitsstärke, diesen Tornado aus schierer Energie schon nicht zähmen kannst, wie könnte ein naiver alter Pedant wie ich das dann schaffen? Ich kenne meine Grenzen, und ich würde niemals eine solche Torheit begehen.«
Eine halbe Stunde später klapperten die drei abgerissenen Ertsuma die Geschäfte und Läden Majburs ab, um sich mit dem Nötigsten einzudecken. Reith, der sich in den verwinkelten Straßen und Gassen der Stadt gut auskannte, wickelte die Einkäufe mit wohlorganisierter Schnelligkeit und Effizienz ab.
Am frühen Abend kehrten
Weitere Kostenlose Bücher