Die Gebeine von Zora
»Wer seid Ihr, und warum stellt Ihr mir diese Frage?«
Der Duru starrte Reith mit alkoholisiertem Blick an. »Ah, ich sehe, Ihr seid es in der Tat. Herr, ich schimpfe Euch einen feigen Verräter, einen elenden Schurken, nichtswürdigen Schuft und ruchlosen Halunken. Und ich werde diese meine Worte mit blitzendem Stahl an Eurem stinkenden Körper bekräftigen! Verteidigt Euch!«
»Was zum Hishkak faselt Ihr da?« fragte Reith scharf. »Und womit bitteschön soll ich mich verteidigen?«
Der Krishnaner torkelte zurück zu seinem Tisch, hob sein Schwert vom Boden auf und brüllte: »Nun werdet Ihr sehen, wie ein durischer Ritter eine Beleidigung seiner verehrten Landesherrin rächt!« Er stürmte quer über die Tanzfläche auf Reith zu, wild mit seinem Schwert fuchtelnd. Die Tänzer stoben kreischend auseinander.
Reith, der sich gerade wieder Eingesetzt hatte, sprang auf und packte seinen Stuhl. Alle Tänzer waren jetzt von der Tanzfläche geflohen – bis auf eine Frau: Alicia Dyckman. Sie sprang vor und stellte dem heranstürmenden Duru ein Bein. Der Krishnaner schlug der Länge nach auf das Parkett; das Schwert fiel ihm aus der Hand und schlitterte über die blankgebohnerte Tanzfläche. Reith schoss um den Tisch herum und ließ seinen Stuhl auf den Kopf des gestürzten Krishnaners niederkrachen.
»Aufhören! Sofort aufhören!« jaulte schrill Khamine, der Tavernenbesitzer, und kam aufgeregt aus der Ecke gestoben. »Keine Prügeleien in meinem Etablissement! Gorbovast hat mir versichert …«
»Dieser Herr ist mir völlig unbekannt«, erklärte Reith und beschrieb dem erregt schnaufenden Kneipier, wie es zu dem Zwischenfall gekommen war. »Er muss mich mit jemandem verwechselt haben. Das können alle hier Anwesenden bezeugen.«
»Wollt Ihr Anzeige erstatten? Ich möchte nicht gern die Wache rufen.«
»Das kann ich noch nicht sagen, Meister Khamine. Ich möchte dieser Sache auf den Grund gehen. Lasst mich und meinen Freund hier diese Person für eine Weile mit auf unser Zimmer nehmen. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr gern dabei sein. Handelt es sich lediglich um eine Verwechslung, dann bedarf es keiner Hinzuziehung amtlicher Instanzen. Wenn nicht …« Reith zuckte die Achseln.
»Ja, das hört sich vernünftig an«, sagte der Wirt erleichtert. »Ich komme mit Euch. Kapelle! Musik!«
»Danke, dass du mir geholfen hast«, sagte Reith zu Alicia.
Sie schleppten den besinnungslosen Duru in Reiths und Marots Zimmer und banden ihn auf einem Stuhl fest. Ein paar nasse, kalte Handtücher auf Gesicht und Nacken brachten ihn wieder zu’ Bewusstsein. Er rollte die blutunterlaufenen Augen und fragte: »Wo bin ich? Götter, tut mir der Kopf weh!«
Khamine hatte sich auf den anderen Stuhl gesetzt, und Alicia und Marot nahmen auf der Bettkante Platz. Reith erklärte dem Krishnaner, wo er war und wie er dahin gekommen war.
»Und nun«, sagte Reith, »will ich aber wissen, wer Ihr seid.«
»Sir Vaklaf bad-Khazir, ein Ritter aus Dur.«
»Was tut Ihr in Majbur?«
»Ich studiere an der hiesigen Universität.«
»Warum habt Ihr mich angegriffen?«
»Nun – eh – ich kannte Euch von Bildern aus dem Palast in Baianch. Für Eure Hochzeit mit Vázni hatte der Regent eigens einen Fotografen aus Hershid kommen lassen. Da ich wusste, wie schmählich Ihr die schöne Prinzessin im Stich gelassen hattet, sah ich es als meine Pflicht an, Euch eine gebührende Züchtigung zu verabreichen, ’s war schon schlimm genug, dass der Regent seine Base mit einem Fremdweltler vermählte; aber dass diese schleimige Kreatur die krishnanische Weiblichkeit auch noch auf das schändlichste entehrte, indem er sie verließ, war zuviel.«
»Deine Jugendsünden holen dich ein, Fergus«, sagte Alicia mit einem kaum verhohlenen Grinsen.
Reith schien jedoch nicht zum Scherzen aufgelegt zu sein. Ohne auf Alicias Spitze einzugehen, sagte er mit ernster Miene zu dem jungen Krishnaner: »Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr nicht die ganze Wahrheit über meine Alliance mit Vázni kennt?«
»Ich kenne den offiziellen Bericht.«
»Welcher ungefähr so wahrheitsgetreu ist, wie ein Mann von einiger Erfahrung es erwarten würde. Wollt Ihr meine Version von der Geschichte hören?«
»Meinethalben erzählt mir Euer Lügenmärchen, Ertsu.«
Reith ignorierte die bissige Bemerkung und erzählte dem Dum, was sich seinerzeit in Dur zugetragen hatte; wie er mit seiner ersten Touristengruppe nach Dur gekommen war, wie der Regent Tashian ihn auf hinterhältige
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