Die Gebeine von Zora
sie, frisch gebadet in der öffentlichen Badeanstalt, die Männer frisch rasiert und neu eingekleidet, zum Gasthof zurück. Alicia sah mit ihrem schlichten lilafarbenen Leinenkleid, ihrem glitzernden Kollier und ihrem frisch gewaschenen und geschnittenen, seidig schimmernden Haar wie eine Sagenprinzessin aus.
Der Sekretär Khamines erkannte sie im ersten Moment gar nicht wieder. Als er merkte, wer sie waren, verneigte er sich so tief, dass er fast aus dem Gleichgewicht geriet. Reith grinste über diese plötzliche Ehrerbietung und sagte: »Geleitet uns bitte zum Speiseraum!«
Alicias Augen leuchteten auf, als sie die Tanzfläche hinter dem Speiseraum gewahrte. »Oh, wunderbar! Heute Nacht können wir tanzen, so lange wir wollen!«
»Großer Gott, Frau!« lachte Reith. »Ich. dachte, du wärst völlig erschossen!«
»Einkaufen stärkt und erfrischt mich«, erwiderte sie. »Armer Fergus, wenn du müde bist, dann kannst du ja gleich nach dem Abendessen schlafen gehen.« Sie hakte sich bei Marot unter. »Aristide und ich machen uns einen vergnügten Abend, nicht wahr, Aristide?«
»Meine liebe Alicia«, sagte Marot mit einem Seufzen, »ich habe schon seit vielen Jahren nicht mehr getanzt. Ich warne dich, ich werde mich so linkisch anstellen wie eine Kuh auf einem Drahtseil.«
»Wenn ihr zwei das noch verkraften könnt, dann kann ich das auch«, sagte Reith mit gespieltem Trotz, »Ich will mir schließlich nicht mein Supermann-Image verderben.«
Die Vorspeise war eine Art Meeresschnecke mit Fühlern, die die irritierende Eigenart hatte, sich noch zu bewegen, nachdem sie den Kochtopf bereits verlassen hatte. Als das Orchester mit den krishnanischen Äquivalenten von Harfen, Flöten, Klarinetten und Trompeten zum Tanz aufzuspielen begann, fixierte Alicia Marot mit einem durchdringenden Blick aus ihren funkelnden Saphiraugen. »Tanzen wir!«
»Wie ich bereits bemerkt habe«, versuchte Marot sich mit klagender Stimme und mitleidheischendem Blick zu drücken, »bin ich vollkommen aus der Übung …«
»Aristide! Du stehst jetzt auf und tanzt mit mir, und damit basta! Los, raff dich auf!« Sie erhob sich und zerrte den Franzosen von seinem Stuhl.
Mit einem Seufzer ergab sich Marot in sein Schicksal. Er warf einen hilfesuchenden Blick auf Reith, der mit einem leisen Schmunzeln antwortete. Als sie die ersten Runden auf der Tanzfläche drehten, sah Reith, dass Alicia eine solch ausgezeichnete Tänzerin war, dass an ihrer Seite selbst der tapsige Paläontologe wie ein Könner wirkte.
Als sie an den Tisch zurückkamen, stimmte das Orchester ein neues Stück an. Reith stand auf und verbeugte sich vor Alicia. »Darf ich bitten?«
Die Kapelle spielte ein flottes athletisches Tanzstück. Reith und Alicia wirbelten mit zwei weiteren munteren Paaren beschwingt über das Parkett. Als das Stück zu Ende war und die Musikanten ihre Harfen stimmten und ihre Blasinstrumente polierten, sagte Alicia: »Fergus, denk nur, wie viel Spaß uns entgangen ist, als wir … du weißt schon … weil du deine Tanzstunden nicht früher genommen hast.«
»Zweifellos«, sagte er trocken. »Oder, um es anders auszudrücken, weil wir nicht lange genug verheiratet waren, dass ich Zeit gehabt hätte, sie während unserer Ehe zu nehmen.«
Alicia seufzte. »Ich weiß, Darling; es ist alles meine Schuld.
Lass uns von jetzt an das Beste aus unseren Chancen machen.«
Als die Kapelle das nächste Stück anstimmte, scheuchte Alicia wieder Marot auf die Tanzfläche. Als Reith den beiden beim Tanzen zuschaute, bemerkte er, dass er seinerseits beobachtet wurde, und zwar von einem jungen Krishnaner, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes allein an einem Tisch saß.
Der Mann trug bauschige schwarze Hosen, die in Stiefeln aus weichem Leder steckten, und eine Jacke aus dickem grünen Stoff, die er wegen der Hitze vorn aufgeknöpft hatte. Unter seinem Tisch lag ein Schwert. Seine Kleidung ließ auf einen Bewohner von Dur schließen, einem Kaiserreich nördlich der stürmischen Varandao-See.
Nachdem der Krishnaner Reith eine Weile angestarrt hatte, stand er auf und ging mit unsicheren Schritten quer über die Tanzfläche auf Reith zu, wobei er fast mit einem der dort seine Kreise ziehenden Tanzpaare zusammenprallte. Reith beobachtete sein Nahen mit gemischten Gefühlen. Der Duru blieb schwankend vor ihm stehen und sagte:
»Verzeihung, Herr, aber seid Ihr nicht Sir Fergus Ries, der einstige Gemahl von Prinzessin Vázni von Dur?«
Reith erhob sich.
Weitere Kostenlose Bücher