Die Gebeine von Zora
Euren Vorschlag nachdenken«, erwiderte Sainian.
Reith fuhr fort: »Ihr erwähntet, wir wären schon die dritte Gruppe Terraner, die innerhalb des vergangenen Jahres hier aufgetaucht ist. Hieß der erste Mann vielleicht Esteban Surkow?«
»Ja, so lautete sein Name. Der Kerl erzählte uns, er verdiene sich seinen Lebensunterhalt, indem er Bücher schreibe. Als ob wir glauben würden, dass irgend jemand sich auf eine solch phantastische Art ernähren könne!«
»Was geschah mit ihm?« fragte Reith.
»Ich erschoss ihn.«
»Was?«
»Ich sagte, ich erschoss ihn. Ich hatte ihn davor gewarnt, die Tore offen stehen zu lassen, und das nicht einmal, sondern zweimal. Beim dritten Mal entsprangen zwanzig meiner Tiere, und eines davon fanden wir nie wieder. Also schoss ich einen Pfeil durch Meister Surkows rechtes Auge und in den Brei, den er sein Gehirn nannte. Mein feinster Schuss seit Jahren! Gern hätte ich seinen Kopf zu den anderen Trophäen an die Wand gehängt, aber Ilui meinte, das sei geschmacklos. Ihr wisst ja, wie Weiber sind. Doch nun erzählt mir, was es an Neuigkeiten in den Ländern gibt, welche zwischen hier und Novorecife liegen.«
Für den Rest des Mahles waren Reith und Marot recht einsilbig; nur zögernd und leise kamen ihre Antworten; doch der Junker schien davon gar keine Notiz zu nehmen. Er löcherte sie mit Fragen und forderte sie mehrmals auf, nur ja kräftig zuzulangen.
»Kommt, meine lieben Herren«, dröhnte er jovial, nachdem er eine Portion heruntergeschlungen hatte, die einem halbverhungerten Yeki zur Ehre gereicht hätte, »langt tüchtig zu und ziert euch nicht! Wenn ihr erst eine Weile draußen kampiert habt, werdet ihr wünschen, ihr hättet mehr gegessen, als ihr noch die Möglichkeit dazu hattet.«
»Vielen Dank, Junker«, erwiderte Reith, »aber ich habe den Punkt erreicht, wo man nur noch kauen, aber nicht mehr schlucken kann. Außerdem wird es Zeit für uns. Da wir die Gegend nicht kennen, möchten wir nicht erst aufbrechen, wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist.«
»Das soll kein Problem sein. Ich werde euch einen meiner Jungen als Führer mitschicken; er wird allerdings nicht lange bei euch verweilen können.« Sainian winkte einen der Shaihan-Hirten zu sich. »Herg, du übernimmst diese Aufgabe. Doch eile, sobald du die Terraner zu ihrem Lager geführt hast, gleich wieder zurück.«
Als sie vom Tisch aufstanden, sagte Sainian: »Es war mir ein Vergnügen, meine Herren. Ich habe mich nicht mehr so vergnügt seit dem Tag, als ich die drei bad-Faroun Brüder tötete. Oh, bevor ich es vergesse: Nehmt euch in acht vor einer Bande von Gesetzlosen, welche von einem gewissen Basht angeführt wird. Wenn sie euch erwischen, schneiden sie euch die Gurgel durch, eh ihr euch’s verseht.«
Als sie aus der Tür traten, kam Herg mit seinem Aya, einem Rehbraunen mit glattem, glänzendem Fell, um die Ecke gebogen. »Meister Ries«, rief er, »dies ist mein persönliches Reittier! Möchtet Ihr es gerne reiten? Ich verspreche Euch, es wird ein feiner Ritt, wie Ihr noch nie zuvor einen erlebt habt.«
Reith bemerkte, dass alle Krishnaner – Sainian, Hui und die zwei Shaihan-Hirten – ihn erwartungsvoll beäugten. Auch glaubte er in Hergs Augen eine Spur von Schalk aufblitzen zu sehen.
»Ich fühle mich sehr geehrt«, antwortete er. »Aber ich bin kein sonderlich geschickter Reiter und könnte in meiner Ignoranz Euer prachtvolles Tier vielleicht falsch behandeln. Ich bitte Euch daher um Verständnis, wenn ich lieber mein eigenes reiten möchte. Komm, Aristide! Wir werden gleich wieder mit unseren Tieren und unseren Sachen zurück sein.«
Auf dem Wege zu Hendovas Haus fragte Marot: »Warum hast du das Angebot ausgeschlagen? Es muss doch Spaß machen, ein so prächtiges Tier zu reiten.«
»Die Leute in dieser Gegend sind als große Witzbolde berühmt. Ich bin sicher, wenn ich mich auf diesen Bock gesetzt hätte, wäre er sofort wild geworden und hätte mich entweder abgeworfen oder wäre mit mir durchgegangen, so wie deiner neulich. Sie haben gehofft, dass das passieren würde; und wenn ich mir dabei das Genick gebrochen hätte, hätte das ihren Spaß nur gesteigert.«
Eine halbe Stunde später kehrten sie reisefertig zum Hause des Junkers zurück. Sainian winkte ihnen zum Abschied und rief: »Vergesst nur nicht, alle Tore, durch die ihr kommt, wieder fein zu schließen!«
»Den Gefallen tun wir dir gern«, murmelte Reith.
Ihre Pack-Ayas am Zügel führend, ritten Reith und Marot
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