Die Gebeine von Zora
dann ging sie auf ihn zu. Stumm gaben sie sich die Hand.
»Ihr kennt euch?« fragte Foltz, wobei sein Blick forschend zwischen beiden hin und her wanderte.
»Ja«, antwortete Reith knapp.
»Ich kenne die bezaubernde Mademoiselle nicht«, sagte Marot. »Bitte, mach uns miteinander bekannt!«
»O ja – natürlich«, murmelte Foltz wie aufgeschreckt. »Alicia, das ist mein Kollege Aristide Marot. Doktor Marot, meine Sekretärin Doktor Alicia Dyckman. Sie erledigt für mich das, was Mister Reith für dich tut: dolmetschen, Verhandlungen mit den Einheimischen führen, einkaufen, Hilfskräfte anheuern und so weiter.«
Marot küsste Alicia die Hand, aber sie nahm die galante Geste kaum wahr. Ihr Blick war auf Reith geheftet. Sie sagte: »Warren hat mir gar nicht gesagt, wen er zum Essen eingeladen hat. Wusstest du, dass du mich hier antreffen würdest?«
»Ich hatte mit der Möglichkeit gerechnet«, antwortete Reith. »Ich war darauf vorbereitet.«
»So setzt euch doch!« forderte Foltz sie auf. »Noch eine Runde, dann können wir essen.« Er schaute abwechselnd Reith und Alicia an. Er schien zu überlegen. Schließlich sagte er: »Allmählich fügt sich das Bild zusammen. Alicia, ist Mister Reith zufällig dein früherer Ehemann?«
Sie nickte und starrte unbehaglich ihre Finger an.
»Du hast mir gegenüber niemals seinen Namen erwähnt«, fuhr Foltz fort. »Zumindest nicht … also konnte ich natürlich nicht wissen … ich meine, nicht dass du denkst, ich hätte das als eine Überraschung geplant …«
»Ich freue mich immer, wenn ich alte Freunde wiedertreffe«, sagte Reith. »Wie geht’s dir denn so, Lish? Wie kommt’s, dass du nicht auf eigene Faust in der Gegend herumreist und anthropologische Daten über die Krishnaner sammelst?«
»Sie haben mir keinen neuen Zuschuss bewilligt. Zumindest kam der Brief nicht mit dem Schiff, mit dem er eigentlich hätte kommen müssen. Ich war zwar nicht völlig blank, aber wenn ich weiter auf meinen Zuschuss gewartet hätte, der dann am Ende vielleicht doch nicht gekommen wäre …« Sie zuckte die Schultern. »Jedenfalls, als Warren mir den Job anbot, habe ich angenommen. Natürlich habe ich nebenbei in meiner Freizeit weiter meine eigenen Daten gesammelt. Ansonsten führe ich seine Bücher und regle den ganzen organisatorischen Kram mit den Krishnanern und was sonst noch so anfällt. Und was treibst du so?«
»Ich mache noch immer die Touren, und in den Pausen dazwischen erhole ich mich von der letzten und plane die nächste. Der Job wird wirklich langsam zu groß für einen einzelnen Mann, aber die zwei Krishnaner, die ich zwischenzeitlich als Assistenten mit reingenommen hatte, musste ich wieder rausschmeißen.«
»Wieso? Kamen sie nicht zurecht?«
»Der eine war nie pünktlich, was in meiner Branche tödlich ist. Der andere schaffte es nicht, ‚wenigstens soviel Englisch zu lernen, dass er sich bei den Touristen verständlich machen konnte, von anderen terranischen Sprachen ganz zu schweigen.«
»Trinkt aus!« rief Foltz dazwischen. »Das Essen ist fertig!«
Beim Essen fragte Reith Foltz: »Haben Sie irgendwelche Schwierigkeiten mit den Bákhtiten gehabt?«
»Nein. Als ich nach Jeshang kam, war Lazdai, die Hohepriesterin, zum Glück gerade in die Berge gereist, um ihre Giftsäcke frisch aufzufüllen. Haben Sie denn Probleme gehabt?«
»Nein; sie war immer noch auf Urlaub.« Reith wandte sich wieder Alicia zu. »Erzähl mal, Lish, wo hast du dich eigentlich die ganze Zeit seit letztem Jahr aufgehalten, ich meine, seit wir … seit wir … uns aus den Augen verloren haben? Als ich von meiner Tour zurückkam, warst du verschwunden. Nicht mal Herculeu wusste, wo du warst.«
Marot war mit dem Essen fertig und schob sich eine dicke Zigarre in den Mund. Er blickte verstohlen zu Reith und Alicia herüber, die völlig ineinander vertieft waren und ihre Tischgenossen vergessen zu haben schienen. Foltz saß stumm da und starrte finster vor sich hin.
Marot erhob sich. »Komm, Warren, machen wir einen kleinen Verdauungsspaziergang! Vielleicht können wir uns ja auch ein bisschen was Gutes tun, indem wir unsere Erkenntnisse über die hiesige Geologie austauschen.«
Foltz warf ihm einen verdrießlichen Blick zu, verharrte einen Moment unschlüssig, stand dann aber auf, und die beiden schlenderten zusammen davon. Alicia erzählte Reith:
»Ich ging nach Katai-Jhogorai, um das dortige Familiensystem zu studieren. Es ist ein extremes Beispiel für disjunktive Ehe; es
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