Die Gebrüder Kip
bekannt gegeben, ihre jetzige bedrängte Lage, sowie die Liquidation, die das Groninger Handelshaus bedrohte. Alles, was sie noch besaßen, war ihnen bei dem Schiffbruche der »Wilhelmina« verloren gegangen, auch das Geld, das sie noch von Amboine mitbrachten.
Der See Wakativu auf Neuseeland, im hintergrunde die Earnslawgletscher.
Ohne Zweifel hatten sie das auf dem Wrack nicht wiedergefunden, da sie davon gegen niemand gesprochen hatten, wohl aber den Dolch, dessen sie sich einige Wochen später bedienten. Dann hatten sie den bedauernswerten Kapitän um die paar tausend Piaster beraubt, die in ihrem Reisesacke wiedergefunden worden waren. Wer weiß auch, ob sich Karl Kip nicht schon vorher mit dem Gedanken getragen hatte, jenem in der Führung des »James-Cook« zu folgen, was ja später eintraf.
Unter welchen Verhältnissen das Verbrechen begangen worden war, das glaubten die Geschworenen zu wissen. Als Harry Gibson von der Brigg wegging, um sich zu Herrn Hamburg zu begeben, waren die beiden Brüder schon nicht mehr an Bord. Sie erwarteten ihn, spähten ihn aus, folgten ihm durch den Wald von Kerawara, überfielen ihn dann, schleppten ihn vom Fußwege fort und plünderten ihn schließlich aus. Nach ihrer Rückkehr auf den »James-Cook« konnte natürlich noch kein Verdacht gegen sie aufkommen. Auch am nächsten Tage scheuten sie sich nicht, sich dem Trauerzuge anzuschlietzen, der den Kapitän nach seiner letzten Ruhestätte geleitete, und hier weinten sie ihm, wie sein Sohn, sogar noch heiße Tränen nach.
Der Ankläger verlangte von der Jury, solchen Übeltätern gegenüber kein Mitleid walten zu lassen… es gäbe nur ein Urteil, das hier am Platze wäre… ein Todesurteil über Karl und Pieter Kip.
Jetzt ergriff noch der Verteidiger das Wort, der sich seiner Aufgabe reckt geschickt entledigte. Konnte er aber hoffen, daß seine Bemühungen erfolgreich wären?… Empfand er es nicht selbst, daß die Anschauung der Richter und des Volkes ebenso schon festständen?… Was hätte er den vorgebrachten greifbaren Beweisen entgegenhalten können?… Nur moralische Hinweise, die auf der Wage der irdischen Gerechtigkeit kaum ins Gewicht fielen. Er sprach von dem Vorleben seiner Klienten, von ihrem ehrbaren Verhalten, das von allen, die mit ihnen in Beziehung getreten wären, rückhaltlos anerkannt werde. Daß das Groninger Handelshaus in Verlegenheit gekommen sei, daß sie bei dem Schiffbruche der »Wilhelmina« ihre Hilfsmittel eingebüßt hätten, sei ja leider nur zu wahr.
Doch um sich eine so verschwindend kleine Summe, zwei-oder dreitausend Piaster, anzueignen, sollten sie dem Kapitän Gibson nach dem Leben getrachtet, sollten sie ihren Wohltäter getötet haben?… Nein, das sei unglaublich!… Die Gebrüder Kip seien das Opfer unerklärlicher Vorkommnisse. Es sprächen noch so viele Zweifel zu ihren Gunsten, daß sie für »nicht schuldig« erklärt werden müßten.
Die Verhandlung war hiermit zu Ende und die Geschworenen zogen sich ins Beratungszimmer zurück.
Den Kopf in die Hände gestützt, blieb Nat Gibson auf der Zeugenbank zurück. Der Advokat der Angeschuldigten hatte an seiner Überzeugung freilich nicht zu rütteln vermocht… nein, für ihn waren und blieben Karl und Pieter Kip die Mörder seines Vaters.
Hawkins hielt sich mehr beiseite; ihm wollte das Herz brechen beim Anblick des jetzt leeren Platzes, den die Angeklagten nun wieder einnehmen sollten, ihr Urteil zu vernehmen. Da näherte sich ihm der Schiffsjunge Jim.
»Herr Hawkins, sagte dieser mit zitternder Stimme, ich konnte doch nicht anders sprechen, nicht wahr?
– Nein, mein Kind, das konntest du nicht!« antwortete der Reeder betrübt.
Die Beratung der Geschworenen zog sich etwas in die Länge, als ob diesen die Schuld der Holländer doch nicht ganz bewiesen erschiene. Vielleicht billigte ihnen die Jury mildernde Umstände zu infolge der würdigen Haltung der beiden Brüder im Laufe der Verhandlung, einer Haltung, die ja nicht ohne einigen Eindruck bleiben konnte.
Inzwischen vermochten zwei Männer ihre Ungeduld kaum noch zu zügeln: Flig Balt und Vin Mod, die dicht nebeneinander saßen und nicht einmal ein paar Worte mit leiser Stimme zu sprechen wagten. Sie brauchten aber auch die Sprache gar nicht, sich zu verstehen, ihre Gedanken auszutauschen. Was sie erhofften, was sie brauchten, sich erst völlig sicher zu fühlen, das war ein Todesurteil, war die Hinrichtung der Gebrüder Kip. Erst mit deren Tode war die Sache
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