Die Gebrüder Kip
ihren Gunsten gesprochen hätten, wollte er nichts wissen, wollte er nichts sehen durch den Schleier von Schmerz und Entrüstung, der ihn umhüllte.
Das zeigte sich auch, als er an dem Tage, wo der Kriminalgerichtshof das Urteil gefällt hatte, nach Hause gekommen war.
»Mutter, sagte er mit einer vor Erregung zitternden Stimme, sie werden die Untat mit ihrem Kopfe bezahlen… mein Vater wird gerächt werden!
– Gott habe Erbarmen… murmelte Frau Gibson.
– Mit diesen Elenden? rief Nat Gibson, der die Antwort seiner Mutter in diesem Sinne deutete.
– Nein, mit uns, mein Kind!« erwiderte Frau Gibson, indem sie ihren Sohn an sich zog und tränenden Auges ans Herz drückte.
Das waren die ersten Worte gewesen, die Nat Gibson nach dem Betreten des Vaterhauses geäußert hatte.
Anders klangen dagegen die, die der Reeder nach dem Schlusse der Verhandlung gebrauchte, als er seiner Gattin wieder gegenüberstand.
»Verurteilt! sagte er.
– Verurteilt?…
– Zum Tode… die Unglücklichen… nun gebe nur der Himmel, daß sich die menschliche Gerechtigkeit nicht geirrt hat!
– Du zweifelst noch immer, lieber Mann?
– Noch immer!«
Man sieht: mehr einem gewissen Gefühle, als Vernunftgründen gehorchend, weigerte sich Hawkins, die Schuld der Gebrüder Kip anzuerkennen. Nein, er konnte sie eines so häßlichen Verbrechens gegen ihren Wohltäter nicht für fähig halten, da sie diesem früher eine so aufrichtige Erkenntlichkeit bewiesen hatten. Ihm fehlte es an einem Beweggrunde, einem unbestreitbaren Beweggrunde zu einem solchen Verbrechen. Der Tod Gibsons hätte ihnen wohl ein paar tausend Piaster eingebracht, doch was die Hoffnung betraf, ihn als Befehlshaber der Brigg zu ersetzen, auf wie schwachen Füßen stand diese, da der Bootsmann, der schon die Stelle des Obersteuermannes vertrat, ja gleichsam vorherbestimmt schien, Kapitän zu werden?
Hawkins war durch die Aussage des Schiffsjungen Jim allerdings in große Unruhe versetzt worden. Es unterlag danach ja keinem Zweifel mehr, daß der im Zimmer der beiden Brüder im Gasthofe zum Great Old Man gefundene Dolch von Jim in ihrer Kabine auf dem »James-Cook« gesehen worden war. Karl oder Pieter Kip hatte ihn von dem Besuche des Wracks der »Wilhelmina« mitgebracht, und wenn sie ihn niemand gezeigt hatten, war das geschehen, weil es so in ihre Pläne paßte. Die Anklage schloß aus diesem Umstande auch, daß sie schon lange den Vorsatz zu dem Verbrechen gehegt hätten.
Und doch: nein!… Trotz der fast erdrückenden Beweise, trotz des Ausspruches, den höchst ehrenwerte und völlig unabhängig urteilende Geschworene getan hatten… nein… Hawkins wollte sich nicht ergeben. Diese Verurteilung empörte ihn. Die Sache der Gebrüder Kip ging ihm zu tief zu Herzen, und wenn er gegen Nat Gibson, bei der Gemütsverfassung, worin dieser sich befand, niemals darüber sprach, so litt er doch nicht weniger daran, den jungen Mann in einer, der seinigen so widersprechenden Überzeugung zu wissen. Dennoch zweifelte er nicht, die Gerichte ihm einst noch Recht geben zu sehen.
Wenn unter ähnlichen Verhältnissen sonst oft verschiedene Meinungen herrschen, wobei die einen für die Schuld, die anderen für die Unschuld eines Angeklagten eintreten, so war dies weder in Hobart-Town noch in anderen Städten Tasmaniens der Fall. Wer hätte wohl angenommen, daß darin je ein Umschwung zu Gunsten der Gebrüder Kip eintreten könnte? Hawkins sagte sich recht wohl, daß alle gegen seine Überzeugung aufstehen würden… Das vermochte ihn aber nicht zu entmutigen. Er hielt an seinem Glauben fest, und was läßt sich denn nicht von der Zeit erhoffen, die sich so häufig als die Aufklärerin menschlicher Irrtümer erweist?
Freilich drohte es hier gerade an der nötigen Zeit zu fehlen. Der Einspruch, den die Gebrüder Kip gegen ihre Verurteilung erhoben hatten, wurde jedenfalls sehr bald zurückgewiesen Es lag ja kein Grund vor, das Urteil umzustoßen, und voraussichtlich erfolgte also die Hinrichtung in der zweiten Hälfte des März, einen Monat nach Fällung des Urteils.
Diese Vollziehung des Urteils erwartete man mit wilder Begierde in dem Teile der Bevölkerung, der an allen aufregenden Ereignissen Gefallen findet, zu den schlimmsten Ausschreitungen bereit ist und nur danach verlangt, selbst an Stelle der Richter zu treten, in der nicht so kleinen Volksmenge, die alle Schuldigen und auch die, die sie nur für solche hält, kurzer Hand lynchen möchte. Dazu wäre es vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher