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Die Gebrüder Kip

Die Gebrüder Kip

Titel: Die Gebrüder Kip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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haben?
    – Jawohl.
    – Wo?
    – In der Kabine der Herren Kip.
    – In deren Kabine?…
    – Ja, gewiß.
    – Und wann?
    – Als der ›James-Cook‹ zum ersten Male in Port-Praslin angelegt hatte.«
    Jim erzählte nun unbefangener, unter welchen Umständen er die Waffe gefunden und wie sie seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Da habe er sie auch in die Hand genommen und dann schnell wieder an die Stelle gelegt. wo sie vorher lag.
    Der Leser entsinnt sich wohl, daß Vin Mod den Dolch in die Kabine, und zwar wenige Augenblicke vorher dahin gelegt hatte, ehe Jim von Flig Balt dahinunter geschickt worden war. Jim sollte ihn ja gerade sehen, und gleich danach versteckte ihn Vin Mod wieder in seinem Matrosensacke.
    Die Erklärung des jungen Menschen hatte eine außerordentliche Wirkung, und dabei eine Erregung zur Folge, der sich der Richter und die Geschwornen ebensowenig wie die vielen Zuhörer zu entziehen vermochten. Jetzt konnte ja niemand mehr einen Zweifel aufrechthalten. Die Gebrüder Kip behaupteten, daß der Kriß niemals an Bord gebracht worden sei, und nun hatte ihn da doch einer gesehen und er war obendrein in ihrem Reisesack im Gasthofe zum Great Old Man wiedergefunden worden.
    »Befand sich an dem Kriß noch die Zwinge, als du ihn in der Hand hattest? fragte der Kronanwalt weiter.
    – Ja, antwortete Jim, es fehlte damals nichts daran.«
    Hieraus ergab sich mit Bestimmtheit, daß die Zwinge sich beim Ringen der Mörder mit dem Kapitän Gibson abgelöst haben mußte, da sie kurze Zeit darauf im Walde von Kerawara gefunden worden war.
    Auf die Aussage Jims war nichts zu entgegnen, und die Angeklagten schwiegen dazu auch still.
    Bis auf Herrn Hawkins schien allen die Sache nun erschöpft. Wer hätte noch glauben können, daß die Gebrüder Kip in eine von Vin Mod vorbereitete Falle geraten wären, daß dieser Elende den Dolch an Bord gebracht und ihn den Schiffsjungen einen Augenblick sehen gelassen hätte, indem er ihn in die Kabine der Angeklagten legte, ehe er zu der Mordtat gebraucht wurde… wer hätte geahnt, daß die Mörder des Kapitäns Gibson sein Helfershelfer Flig Balt und er selbst gewesen wären, die sich zu dieser verabscheuungswürdigen Freveltat und zu dem heimtückischen Verhalten verbündet hätten, um zwei Unschuldige zu verderben!
    Jetzt meldete sich Nat Gibson nochmals ums Wort. Er wollte die Aufmerksamkeit der Jury auf einen Vorfall hinlenken, von dem er noch nicht gesprochen hätte und der jetzt bei der Hauptverhandlung doch wohl Erwähnung verdiente.
    Der Präsident erteilte ihm sogleich das Wort.
    »Meine Herren Richter, meine Herren Geschworenen, begann er, Ihnen ist noch nicht bekannt, daß der ›James-Cook‹ auf der Fahrt von Neuseeland nach dem Bismarck-Archipel auf der Höhe der Louisiaden einen Überfall durch Papuas zu erleiden und abzuwehren hatte. Offiziere, Passagiere und Mannschaften, alle beteiligten sich an der Verteidigung der Brigg. Mein Vater stand dabei in der ersten Reihe. Da, während des heftigsten Kampfgewühls, wurde – ich weiß nicht von wem – ein Schuß abgefeuert und eine Kugel streifte fast schon den Kopf des Kapitäns Gibson. Bisher, meine Herren, hab’ ich das ja für einen unglücklichen Zufall gehalten, der bei der damals herrschenden Finsternis und in der Hitze des Gefechtes recht leicht möglich sein konnte. Jetzt bin ich anderer Ansicht. Ich habe nicht nur Ursache zu glauben, nein, ich glaube sogar bestimmt, daß es sich dabei um einen überlegten Angriff auf meinen Vater gehandelt hat, dessen Tod beschlossen war, und von wem, wenn nicht von denen, die ihn später ermordeten?«
    Unter der Wucht dieser neuen Beschuldigung sprang Karl Kip flammenden Auges noch einmal auf.
    »Wir… wir! rief er mit zornbebender Stimme. Nat Gibson… das wagen Sie auszusprechen!«
    Der ältere Kip war ganz außer sich. Sein Bruder nahm ihn aber an der Hand, um ihn zu besänftigen, und so setzte er sich schluchzend und mit hochwogender Brust wieder nieder.
    Im ganzen Saale war wohl niemand, den dieser ergreifende Zwischenfall nicht tief erschüttert hätte, und aus Hawkins’ Auge stahl sich eine Träne hervor.
    Vin Mod stieß den Bootsmann heimlich mit dem Knie und sah ihn verstohlen an, als wollte er sagen: »Nun wahrlich… daran hatt’ ich gar nicht mehr gedacht… er, der Sohn des Kapitäns, hat es aber noch nicht vergessen!«
    Die Aufgabe des Anklägers gestaltete sich also immer leichter. Den Geschworenen wurden die früheren Verhältnisse der Gebrüder Kip

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