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Die Gebrüder Kip

Die Gebrüder Kip

Titel: Die Gebrüder Kip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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noch vor dem Abend mit ihnen in Verbindung zu setzen, so war es auch ausgeschlossen, das in der Nacht zu versuchen, denn die beiden Brüder bewohnten eine Zelle für sich, die sie nicht verlassen konnten.
    So war also die Sachlage: Bei den Feniers die größte Unruhe wegen des verschwundenen Zettels, bei den Gebrüdern Kip die größte Ungeduld, O’Brien und Macarthy benachrichtigen zu können. – Die Zeit verging wie im Fluge und bald nahte die Stunde heran, wo die Sträflinge in den Schlafsälen eingeschlossen wurden.
    Im schlimmsten Falle genügte es ja, wenn die beiden Irländer am nächsten Morgen Nachricht erhielten, wo ihnen dann doch noch Zeit genug blieb, die Flucht zu versuchen; und daran, die Küste zu erreichen, war wiederum nur zu denken, wenn sie außerhalb der Anstalt beschäftigt waren. Nun, morgen hofften Karl und Pieter Kip im Laufe der Arbeitszeit eine Gelegenheit zu finden, sich den Irländern zu nähern, da die beiden Brüder sich wegen ihrer Obliegenheit, die zu fällenden Bäume anzuzeichnen, einer gewissen Bewegungsfreiheit erfreuten.
    Gegen sechs Uhr abends heiterte sich nach einem regenreichen Tage der Himmel gerade noch auf, als die Sonne untergehen wollte. Ein frischer Wind zerstreute die Wolken. Die Sträflinge konnten noch für kurze Zeit die schützenden Vorbauten verlassen und sich unter den Augen der Aufseher in den Höfen ergehen.
    Vielleicht bot sich jetzt Gelegenheit, mit O’Brien oder Macarthy zusammenzutreffen. Pieter Kip trug den Zettel noch bei sich, er mußte also versuchen, ihn den beiden Feniers zukommen zu lassen.
    Um sieben Uhr hatten sich die Sträflinge laut Vorschrift nach den Schlafsälen zu begeben, die etwa für je fünfzig Mann eingerichtet waren. Hier wurden sie noch einmal verlesen und dann bis zum Morgen eingeschlossen. Auch die Gebrüder Kip mußten sich zu derselben Zeit in ihre Zelle begeben.
    Da und dort hatten sich einzelne Gruppen gebildet, zusammengeführt durch eine Art Bagno-Kameradschaft, durch das Interesse, das die Verurteilten aneinander nahmen. Hier sprachen sie freilich nicht von der Vergangenheit… wozu auch?… ebensowenig von der Gegenwart… hätten sie daran etwas ändern können?… wohl aber von der Zukunft, von der sie so mancherlei hofften… entweder eine Milderung der harten Behandlung, der sie hier ausgesetzt waren, oder auch einen Erlaß ihrer Strafe, manche träumten wohl auch von einer Flucht.
    Wie erwähnt, kamen die Gebrüder Kip und die Irländer nicht gerade häufig zusammen. Ja seit dem Tage, wo O’Brien und Macarthy die Danksagungen Karl und Pieter Kips mit so abweisender Kälte aufgenommen hatten, war zwischen ihnen nur sehr selten ein Wort gewechselt morden. Da sie auch nicht einundderselben Arbeiterrotte angehört hatten, konnten sie einander nur an den Vor-und den Nachmittagen der Sonntage oder besonderer Ruhetage treffen.
    Die Zeit verstrich weiter. Unbedingt mußten die Irländer allein sein, wenn ihnen der Zettel Walters zugesteckt werden sollte, und gerade jetzt schien Farnham, der in ihrer Nähe umherging, sie kaum aus dem Auge zu verlieren.
    Nun lag ja genug Ursache vor, zu glauben, daß Farnham von dem Fluchtversuche wußte und daß er die Gefangenen dabei begleiten sollte. Wenn diese Annahme nun aber doch falsch war, wenn Farnham die Gebrüder Kip im Gespräch mit den Feniers überraschte, dann war voraussichtlich alles verloren. Und doch… nein… Pieter Kip täuschte sich nicht. Die drei Männer tauschten verständnisvolle Blicke aus, Blicke, worin sich Ungeduld und Unruhe stritten. Ihre Erregung gestattete ihnen nicht einmal, an derselben Stelle stehen zu bleiben.
    Eben jetzt mußte Farnham auf einen Ruf des Oberaufsehers den Hof zeitweilig verlassen. Beim Weggehen hatte er seinen Landsleuten nicht einmal ein Wort zuflüstern können, was deren Besorgnisse natürlich vermehrte. In der Gemütsverfassung, worin sie sich befanden, kam ihnen alles verdächtig vor. Was konnte man denn von Farnham wollen? Wer hatte ihn rufen lassen? Vielleicht der Kapitän-Kommandant wegen des unglückseligen Zettels? War seine Beteiligung an der Sache entdeckt worden?
    Eine Beute ihrer Aufregung, die sie nicht zu unterdrücken vermochten, traten O’Brien und Macarthy einige Schritte nach der Tür des Hofes zu, wie um die Rückkehr Farnhams zu erwarten, und immer in der Furcht, dann selbst gerufen zu werden.
    An der halbdunkeln und verlassenen Stelle, wo sie stehen geblieben waren, schien kaum eine Gefahr vorzuliegen, gesehen

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