Die Gebrüder Kip
gestört wurde. Die beiden Irländer saßen in ihrer Reihe nebeneinander und beobachteten Farnham, aus dessen Blicken sie deutlich »Nichts Neues« lesen zu können glaubten.
Auch der Kapitän Skirtle war in der Kapelle anwesend und nahm übrigens auf Anordnung der obersten Verwaltung immer an den Gottesdiensten teil. Seine Haltung verriet keine unruhige Besorgnis, und das wäre bestimmt nicht der Fall gewesen, wenn ihm eine Mitteilung über die geplante Flucht schon zu Ohren gekommen wäre.
Ubrigens bemerkten weder Farnham noch O’Brien und Macarthy, daß sie etwa besonders beobachtet würden. Sie konnten also fast mit Sicherheit annehmen, daß der Zettel vom Winde verweht worden sei und von ihm keine Spur wiedergefunden würde.
Als der Geistliche den Segen gesprochen hatte, womit er den Gottesdienst schloß, verließen die Sträflinge die Kapelle und begaben sich nach den Sälen, um dort ihr Frühstück zu verzehren. Dann zerstreuten sie sich in den Höfen, wo sie unter einzelnen Vorbauten Schutz suchten, da es eben zu regnen begann.
Pieter Kip hatte sich vorgenommen, O’Brien und Macarthy in einem der Höfe aufzusuchen, wo die Sträflinge einzelne Gruppen bildeten, was hier leichter war als in den Sälen, und hier wollte er ihnen den Zettel zustecken mit den Worten:
»Hier ist ein beschriebenes Blatt, das ich aufgehoben habe. Außer meinem Bruder und mir weiß kein Mensch etwas davon. Sie werden ja sehen, was Sie daraufhin zu tun haben.«
Dann wollte Pieter sich wieder zurückziehen.
Da es den Sträflingen hier unverwehrt war, miteinander zu plaudern, schien ja Pieter Kips Vorhaben mit keinerlei Gefahr verbunden zu sein. Es handelte sich ja nur darum, den Zettel O’Brien oder seinen Gefährten unter Angabe von dessen Auffindung in die Hände zu spielen.
Was aber leicht gewesen wäre, wenn die Sträflinge inmitten der Höfe Gruppen gebildet hätten, das mußte leider schwieriger werden, wenn sie sich unter den Vorbauten mehr zusammendrängten oder gar in die Säle zurückgingen: dort befanden sich die Insassen – es waren ihrer immer acht bis neun – weit mehr unter den Augen der Aufseher.
Wiederholte heftige Regengüsse veranlaßten sie aber gerade heute, noch vor der Zeit ihre Säle aufzusuchen. Die Höfe standen bald leer und weder Karl noch Pieter Kip hatte Gelegenheit gefunden, sich den beiden Irländern zu nähern.
Und doch war es von Wichtigkeit, O’Brien und Macarthy noch heute zu benachrichtigen.
Heute war schon der 4. Mai und der Zettel bestimmte den morgigen Tag zum Stelldichein an der Saint-Jamesspitze, wo das Boot die Flüchtlinge erwarten sollte.
Wie sie an diese Stelle gelangen könnten, das stellten sich die Gebrüder Kip etwa folgendermaßen vor: Am folgenden Tage mußten die Sträflinge in dem Teile des Waldes beschäftigt sein, den die Verwaltung niederlegen lassen wollte. Diese Arbeiten wurden gewöhnlich bis sechs Uhr abends fortgesetzt.
Dann kam, kurz vor der Wiedersammlung der Rotten zur Rückkehr nach Port-Arthur, für Farnham der Augenblick, wo er unter irgendwelchem Vorwande die Irländer bis zum Rande der Lichtung führen müßte, und das konnte nicht auffallen, da sich die Sträflinge ja unter den Augen eines Aufsehers befanden. Wenn die Rotten sich dann in Bewegung setzten, würde schwerlich jemand die Abwesenheit O’Briens, Macarthys und Farnhams schon bemerkt haben. Wäre das unglücklicherweise doch der Fall gewesen, so hätte der Oberaufseher freilich sofort das Alarmsignal geben lassen. Bei der hereinbrechenden Finsternis wäre es aber immerhin schwierig gewesen, in dem dichten Walde die Fährte der Flüchtlinge aufzuspüren.
Wurde ihre Flucht jedoch erst nach der Rückkehr der Rotten nach Port-Arthur offenbar, so donnerte ein Alarmschuß hinaus, der die ganze Halbinsel zu erhöhter Wachsamkeit aufrief. Da die Küste sich aber nur eine halbe Seemeile von der Lichtung befand, konnten die Flüchtlinge Zeit genug gehabt haben, die Saint-Jamesspitze zu erreichen. Lag hier das Boot schon für sie bereit, so bedurfte es nur weniger Ruderschläge, sie nach der »Illinois« in Sicherheit zu bringen. Der Dampfer hatte dann die ganze Nacht vor sich, aus der Storm-Bai herauszukommen, und bis Sonnenaufgang befand er sich schon zehn Meilen weit vom Kap Pillar draußen auf hoher See.
Natürlich gehörte hierzu, daß die Irländer rechtzeitig benachrichtigt wurden, spätestens am nächsten Tage, wenn es heute nicht mehr möglich war. Gelang es Pieter Kip also nicht, sich
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