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Die Gebrüder Kip

Die Gebrüder Kip

Titel: Die Gebrüder Kip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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fest. Er widmete sich voller Eifer der Aufgabe, wenn auch allein stehend, das über der Angelegenheit schwebende Geheimnis zu entschleiern, die Unschuld der Verurteilten nachzuweisen und sie aus der Strafanstalt von Port-Arthur zu befreien.
    Frau Hawkins teilte die Anschauungen ihres Gatten, wenn auch nicht die Hoffnung auf den guten Ausgang seiner Bemühungen. Sie ermutigte ihn sogar noch dazu, obwohl die öffentliche Meinung sehr dagegen war. Ja sie litt nicht wenig darunter, ihn heute vertrauensselig und morgen halb verzweifelt zu sehen. In dem beschränkten Kreise ihrer engeren Freunde und bei den Personen seiner näheren Umgebung, ließ sie nicht nach, seine Überzeugung zu vertreten. Die meisten ließen sich aber nicht umstimmen, so tief hatte ja die abscheuliche Mordtat, der ein Todesurteil folgte, die Gemüter beeinflußt und sogar die von der Schuld der Holländer überzeugt, die im Anfang der Verhandlungen daran noch gezweifelt hatten.
    Bei der vertrauten Freundschaft, die zwischen ihnen herrschte, gewann Frau Hawkins aber gerade auf Frau Gibson allmählich den größten Einfluß. Anfänglich wollte die unglückliche Witwe sie freilich gar nicht anhören. In ihrem unermeßlichen Schmerze schwebte ihr nur das eine vor Augen, daß ihr Gatte nicht mehr lebte, wer auch dessen Mörder sein mochten. Frau Hawkins sprach sich aber so eindringlich zu Gunsten der Gebrüder Kip aus, daß sie endlich bei der Freundin dafür Gehör fand. Diese verschloß sich nicht mehr der Annahme, daß die Holländer doch vielleicht die Mörder nicht sein möchten, und sie erschrak bei dem Gedanken, daß in der Hölle von Port-Arthur zwei Schuldlose schmachten sollten.
    »Sie werden daraus erlöst werden! sagte Frau Hawkins wiederholt. Früher oder später muß die Wahrheit an den Tag kommen und werden die wirklichen Mörder die verdiente Strafe finden!«
    Wenn Frau Gibson aber dem Einflusse der Frau Hawkins unterlag, so glaubte ihr im Herzen überzeugter Sohn doch nach wie vor an die Schuld der Gebrüder Kip. Trotz aller Hochachtung vor dem Reeder und vor der erprobten Zuverlässigkeit seines Urteils, wollte er sich seinen Einwänden, die ja doch nur moralischer Natur waren, niemals fügen. Nat Gibson klammerte sich an die durch die Untersuchung erwiesenen Tatsachen und sah sich dabei in Übereinstimmung mit der weitaus größten Zahl der Einwohner Hobart-Towns. Auch als Hawkins ihm von dem Verdachte sprach, der in ihm gegen Flig Balt und Vin Mod aufgestiegen war, begnügte er sich zu antworten:
    »Herr Hawkins, die Papiere und das Geld meines Vaters, die Waffe, womit er getötet worden ist, haben sich in dem Zimmer und im Reisesacke der beiden Brüder vorgefunden… man müßte denn beweisen können, daß Flig Balt oder Vin Mod alles dahin gebracht hätte, und das wird nicht möglich sein.
    – Wer weiß, mein armer Nat, antwortete Hawkins, wer weiß das?«
    Ja… wer konnte das wissen? Und doch war gerade das der Verlauf der Dinge gewesen. Vin Mod war dabei aber mit solcher Verschlagenheit zu Werke gegangen, daß es unmöglich schien, seine Anwesenheit im Gasthofe zum Great Old Man nachzuweisen.
    Hawkins hatte den Gastwirt zwar wiederholt mit darauf bezüglichen Fragen bestürmt, doch nichts damit erzielt. Der Mann erinnerte sich nicht einmal, daß zur Zeit, als die Gebrüder Kip in seinem Hause wohnten, das Nachbarzimmer überhaupt besetzt gewesen sei. Jedenfalls war Vin Mod niemals in seinen Gasthof gekommen, und niemand hätte behaupten können, ihn da gesehen zu haben.
    Das war also die allgemein herrschende Anschauung, und das waren die Schritte, die Hawkins tat, eine Wiederaufnahme des Verfahrens herbeizuführen, und die er mit einer Zähigkeit verfolgte, welche viele schon für eine fixe Idee ansahen.
    Da verbreitete sich am Morgen des 7. Mai in der Stadt eine unerwartete Neuigkeit.
    Der Gouverneur war telegraphisch benachrichtigt worden, daß in Port-Arthur eine Flucht vorgekommen sei. Zwei politische Deportierte, zwei Feniers und einer der Aufseher, ihr Landsmann und Genosse, waren entwichen und von einem, jedenfalls von ihren Freunden in Amerika dazu hergeschickten Dampfer aufgenommen worden. Gleichzeitig waren, unter Benützung dieser Gelegenheit, noch zwei andere Sträflinge entflohen.
    Diese wegen eines ruchlosen Verbrechens verurteilten Sträflinge waren die Holländer Karl und Pieter Kip.
     

    Die Aufseher mußten die Gefangenen loslassen und sich zurückziehen. (S. 388.)
     
    Während des Kampfes zwischen den

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