Die Gebrüder Kip
entfliehen. Dazu bedarf es der Hilfe von außen, jedenfalls eines zu diesem Zwecke bereit liegenden Schiffes, auf welche Weise auch wirklich schon einige Deportierte (politische Strafgefangene) entwichen sind. Sind solche Flüchtlinge aus Mangel an Booten gezwungen, nach einem Schiffe hinaus zu schwimmen, so sind sie auch noch den Zähnen der furchtbaren Haifische ausgesetzt, von denen es zwischen den Klippen wimmelt.
Übrigens ist es, mit Ausnahme des Hafens von Numea, der Hauptstadt der Insel, kaum möglich, an diesem Archipel zu landen, der durch madreporische Bänke und die daran anstürmende, wilde Brandung dagegen geschützt ist.
Sich auf einem nördlichen Kurse haltend, segelte der »James-Cook« ein gutes Stück seitwärts von der Küste der Insel hin. Bei der zwei bis drei Seemeilen betragenden Entfernung traten die Einzelheiten der Landmasse jedoch noch deutlich sichtbar hervor, vor allem die amphitheatralisch aufsteigenden Hügel an der Küste, die so kahl und dürr aussehen, daß sie zu dem Glauben verleiten, die ganze Gruppe müsse stark an Unfruchtbarkeit leiden. Auch der Kapitän Cook hatte sich 1774 hierdurch täuschen lassen, als er diese neuen Inseln entdeckte, deren hydrographische Aufnahme der französische Admiral d’Entrecasteaux erst 1792 und 1793 vervollständigte.
Die Verhältnisse liegen hier aber ganz anders. Die auf sechzigtausend Seelen geschätzte Bevölkerung Neukaledoniens sieht ihre Bedürfnisse bequem durch die Produkte des reichen Inselbodens gedeckt, denn dieser erzeugt in großer Menge Yamswurzeln, Zuckerrohr, Taro, Hibiskus, Pinien mit eßbaren Früchten, Bananen, Orangen, Kokospalmen, Brod-und Feigenbäume, sowie Zimtbäume, und das Innere ist erfüllt mit ausgedehnten Urwäldern, worin die Bäume oft eine erstaunliche Größe erreichen.
Im Laufe des 9. Novembers konnten Hawkins, Nat Gibson und die beiden Brüder hinter dem Uferlande die hohe Bergkette betrachten, die das Skelett der Insel bildet. Von Bergbächen zerrissen, wird sie von einzelnen Gipfeln noch weiter überragt, darunter vom Mont Kogt, Mont Nu, Mont Arago und vom Homedebua, der über fünfzehnhundert Meter emporsteigt. Brach dann die Nacht herein, so sah man nichts weiter als die – auch allmählich erlöschenden – Feuer der im Hintergrunde vieler Buchten siedelnden Kanaken.
Auch Flig Balt, Vin Mod, Len Cannon und dessen Kameraden hielten den Blick auf die Insel geheftet, freilich mit anderen Gedanken als die übrigen. Sie konnten ja nicht vergessen, daß sich hier mehrere hundert Verurteilte aufhielten, von denen sie gern ein halbes Dutzend noch an Bord genommen hätten.
»Da drüben, bemerkte Vin Mod, gibt es einen ganzen Haufen tüchtiger Kerle, die mit Freuden dabei wären, sich eines guten Schiffes zu bemächtigen und damit den Großen Ozean zu befahren. Hätten nur wenigstens einige darunter den Gedanken, heute Nacht zu entfliehen!… Wenn dann ihr Boot an der Brigg anlegte, wenn sie sich dann auf das Deck schwängen, ohne Hawkins und den Kapitän darum um Erlaubnis zu fragen… wie schnell würden wir uns mit ihnen verständigen…
– Gewiß, meinte Cannon, es wird nur keiner kommen.«
Er sollte damit recht behalten. Gegebenen Falles aber wären Flüchtlinge von Numea, wenn sie nicht unbemerkt an Bord gelangten, gewiß nicht in gleicher Weise aufgenommen worden, wie die Schiffbrüchigen von der »Wilhelmina«. Ein ehrbares Schiff begünstigt niemals die Flucht von Verbrechern.
Als am nächsten Tage, am 8., von Neukaledonien noch der nördliche Teil in Sicht war, segelte der »James-Cook« am Nachmittage noch an den letzten, gegen hundert Seemeilen nach Norden hinausreichenden Klippen der Insel vorüber und schlug dann einen Kurs quer durch das Korallenmeer ein.
Bei günstigem Winde konnte die Brigg die Strecke von neunhundert Seemeilen, die Neukaledonien von Neuirland trennt, binnen zehn Tagen zurücklegen.
Dieses Korallenmeer ist nach dem Urteil der Kapitäne eines der gefährlichsten Fahrwässer der Erde. Über zwei volle Breitengrade hin ist es über und unter seiner Oberfläche mit madreporischen Spitzen durchsetzt, vielfach von Korallenbänken versperrt und von unregelmäßigen, wenig bekannten Strömungen durchflossen.
Das ruhige Meer überflutete die Hauptkabine nicht. (S. 126.)
Hier sind auch schon viele Fahrzeuge spurlos zu Grunde gegangen. Es wäre wirklich geboten, dieses Meer ebenso mit Baken zu besetzen, wie das bei vielen Buchten Europas und Amerikas geschehen ist.
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