Die Gebrüder Kip
Dävits befestigt war, entfaltete die Brigg ihre Segel, und von günstiger Brise getrieben, fuhr sie in nordöstlicher Richtung weiter.
Haus im Hafen von Dori (Neuguinea).
Fünf Tage lang wurde die Fahrt ohne jeden Zwischenfall fortgesetzt, und am Morgen des 14. meldete die Deckwache die ersten sichtbaren Anhöhen von Neuguinea.
Neuntes Kapitel.
Durch die Louisiaden.
Am folgenden Morgen, am 15. November, hatte der »James-Cook« seit dem gestrigen Abend nur einige dreißig Seemeilen nach Nordosten zurückgelegt. Als es zu dunkeln angefangen hatte, war die Brise schon wieder fast eingeschlafen. Die Passagiere verbrachten die stille, warme Nacht auf dem Verdeck. In den Kabinen hätte bei der erstickenden Temperatur niemand auch nur eine Stunde schlafen können.
Das Schiff befand sich obendrein jetzt in gefährlichem Fahrwasser, das eine unausgesetzte Wachsamkeit erforderte.
Gibson hatte vor dem Deckhause von den Stützen der Schanzkleidung aus ein Zelt herstellen lassen, unter dessen Schutze alle Mahlzeiten in angenehmerer Weise als in der Kajüte eingenommen wurden.
Am heutigen Morgen drehte sich das Gespräch um die Louisiadeninseln, zwischen denen die Brigg den gefahrvollsten Teil ihrer Fahrt zu überwinden hatte. Gegenwärtig befand sie sich noch etwa vierhundertfünfzig Seemeilen von der Inselgruppe Neuirlands entfernt; nach vier Tagen sollte sie, wenn keine völlige Windstille eintrat – was in der warmen Jahreszeit zwischen dem Wendekreise und dem Äquator freilich keine Seltenheit ist – auf der Reede von Port-Praslin vor Anker gehen.
»Sie haben den Archipel der Louisiaden schon öfters befahren? wandte sich Pieter Kip fragend an den Kapitän.
– Ja, zu wiederholten Malen, wenn ich nach Neuirland ging, um Fracht einzunehmen, antwortete Gibson.
– Ist die Fahrt hier nicht recht schwierig? setzte Karl Kip hinzu.
– Ja freilich, das ist sie, Herr Kip. Sie haben also wohl nie Gelegenheit gehabt, diesen Teil des Großen Ozeans zu besuchen?
– Niemals, Herr Gibson; über die Breite von Papuasien bin ich bisher noch nicht hinaufgekommen.
– Nun, erklärte Gibson, ein Kapitän, der unklugerweise die Augen hier nicht stets offen hielte, liefe Gefahr, mit seinem Schiffe auf den unzähligen Klippen und Bänken dieser Gegend aufzulaufen. Bedenken Sie nur, daß es hier madreporische Bänke gibt, die in der Länge zweihundert und in der Breite fast hundert Seemeilen messen. Ohne die nötige Erfahrung kann man hier sehr leicht seine Rumpfbekleidung, ja das ganze Schiff einbüßen.
– Haben Sie schon einmal an den größten Inseln der Gruppe angelegt? fuhr Pieter Kip fort.
– Nein, noch niemals, erwiderte Gibson. Von Rossel, Saint-Aignan, Trobrïant und Entrecasteaux ist nichts zu holen, wenigstens wenn man seinen Laderaum nicht ausschließlich mit Kokosnüssen füllen will. Auf diesen Inseln gedeihen nämlich entschieden die herrlichsten Kokospalmen der ganzen Erde.
– Wenn Schiffe hier aber auch kaum Fracht erhalten können, bemerkte Hawkins, sind die Louisiaden doch keineswegs unbewohnt…
– Nein, gewiß nicht, lieber Freund, bestätigte Gibson. Hier gibt es aber nur eine wilde, grausame Bevölkerung, die trotz aller Bemühungen von Missionaren wohl gar noch dem Kannibalismus huldigt.
– Sind solche Fälle auch neuerdings vorgekommen? fragte Pieter Kip.
– Leider ja, versicherte der Kapitän, und noch dazu solche recht haarsträubender Art. Ein Schiff, das nicht sorgsam auf seiner Hut ist, läuft gar zu leicht Gefahr, von den Eingebornen überfallen zu werden…
– Und nicht allein von den Bewohnern der Louisiaden, fügte Karl Kip hinzu, sondern auch von denen Neuguineas. Ich halte auch die Papuas für nicht weniger gefährlich…
– Alle diese Wilden geben einander nichts nach, antwortete der Kapitän, sie sind an Rohheit und Blutgier einander gleich! Schon sind drei Jahrhunderte. verflossen, seit diese Länder von dem Portugiesen Serrano entdeckt, dann 1610 von dem Holländer Shouten besucht und 1770 von Cook, den man hier mit Wurfspießen begrüßte angelaufen wurden. Ebenso mußte der Franzose Dumont d’Urville bei Gelegenheit der Fahrt der »Astrolabe«, 1827, sich mit Feuerwaffen der Angriffe dieser kriegerischen Völkerschaften erwehren… und seit jener Zeit hat die Zivilisation unter den Polynesiern eigentlich noch keinerlei Fortschritt gemacht.
– Ganz ebenso, ließ sich Nat Gibson vernehmen, liegen die Dinge im Großen Ozean zwischen Neuguinea und den
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