Die Gebrüder Kip
in der geschilderten, geheimnisvollen Weise umgekommen war, konnte von der Ausführung dieses Planes nicht mehr die Rede sein; Frau Gibson hätte sich nicht mit dem Gedanken befreunden können, von ihrem Sohne getrennt zu sein, und auch Nat Gibson hätte nicht zugestimmt, von seiner Mutter fortzugehen und sie allein in dem verwaisten Vaterhause zurückzulassen. Alle Freundschaft, alle Ergebenheit des Herrn und der Frau Hawkins hätten der trostlosen Witwe keinen genügenden Ersatz geboten. Jedenfalls mußte ihr Sohn bei ihr bleiben, damit sie sich an dessen Liebe und an der Muttersorge für ihn wieder aufrichten lernte. Der Reeder war der erste, der das einsah. Er wollte sich mit Herrn Balfour ins Einvernehmen setzen und für diesen einen anderen Geschäftsteilhaber suchen, während Nat Gibson ihn im Kontore von Hobart-Town unterstützen sollte.
»Lieber Nat, sagte er zu diesem, ich habe dich von jeher fast als eigenes Kind betrachtet, und jetzt wünsche ich, daß du das noch mehr seiest als früher. – O… ich werde meinen unglücklichen Freund niemals vergessen…
– Meinen Vater, meinen armen Vater! murmelte der junge Mann. Und nicht einmal die zu kennen, die ihn getötet haben!…«
Durch seinen Schmerz und sein Schluchzen brach immer der Durst nach Vergeltung hervor, die er nicht hatte üben können.
»Die Elenden! rief er. Man soll also niemals erfahren, wer sie sind, und der abscheuliche Meuchelmord soll voraussichtlich ungesühnt bleiben!
– Warten wir erst die nächste Post von Port-Praslin ab, antwortete Hawkins beruhigend. Vielleicht führen die Nachforschungen der Herren Hamburg und Zieger doch zu einem nichtigen Ergebnisse. Vielleicht haben sie neue Spuren und Anzeichen gefunden. Nein, ich kann nicht glauben, daß das Verbrechen unbestraft bleiben sollte…
– Und wenn die Mörder entdeckt sind, rief Nat Gibson, dann begeb’ ich mich dorthin… ja, ich gehe bestimmt… und ich…«
Er konnte vor zornigem Zittern der Stimme den Satz nicht vollenden.
Bevor diese Freveltat jedoch zur Aburteilung kam – wenn das überhaupt der Fall war – mußte vor dem Seegerichte eine andere Angelegenheit – der Prozeß gegen die Meuterer vom »James-Cook« – verhandelt werden.
In seiner Eigenschaft als Kapitän der Brigg hatte Karl Kip der zuständigen Behörde seinen Bericht überliefert. Flig Balt als Rädelsführer und Len Cannon als Mittäter wurden jedenfalls zu sehr schwerer Strafe verurteilt, denn die englischen Gesetze sind ungemein streng bezüglich der Fälle dieser Art und überhaupt aller der, die die Disziplin an Bord der Handelsmarine betreffen.
Seit ihrer Einsperrung hatten die Verhafteten mit ihren Genossen keinerlei Verbindung mehr gehabt. Sexton, Kyle und Bryce sollten bei dem Strafverfahren nur als Zeugen vernommen werden. Der Bericht beschuldigte sie nicht ausdrücklich der tätigen Teilnahme an dem – dank der Energie des neuen Kapitäns – übrigens so schnell unterdrückten Aufruhr. Möglicherweise weilten sie gar nicht mehr in Hobart-Town, wenn die Verhandlung vor dem Gerichte begann, vielleicht hatten sie sich dann schon aufs neue eingeschifft, und das wäre ihnen natürlich am liebsten gewesen.
Was Vin Mod anging, der ja im Grunde die Seele der Meuterei gewesen war, lag mit diesem arglistigen Burschen, dessen verderblichem Einflusse, der Bootsmann erlegen war, der Fall wesentlich anders. Er sachte sich den Folgen seiner Treibereien nicht durch die Flucht zu entziehen. Seine Verabredung mit Flig Balt würde ja die Probe bestehen, und doch, wer kannte wissen, ob dieser nicht, durch Fragen bedrängt und sich selbst verloren sehend, vielleicht gestehen und die Mitschuld Vin Mods entschleiern würde.
Hobart
Freilich waren sie ja aneinander gekettet wie zwei Galeerensträflinge, verbunden durch das gemeinsam vergossene Blut, das Blut des unglücklichen Harry Gibson.
Da er dem Bootsmanne aber doch eine Schwächeanwandlung zutraute, hatte Vin Mod alles Interesse daran, ihn möglichst zu entlasten, und vielleicht besaß er dazu auch die Mittel. Geistig nicht unbefähigt und um Ausflüchte nie verlegen, wußte er, daß Flig Balt auf ihn rechnete. Gelang es ihm, in der Angelegenheit des »James-Cook« der Gerechtigkeit in den Arm zu fallen, so hatte weder er selbst noch der andere irgend etwas zu fürchten. Wer hätte vermuten können, daß gerade sie die Urheber der Mordtat wären, die in den fernen Gebieten Neuirlands begangen worden war? – Inzwischen konnte Vin Mod
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