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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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hatten, und dann, mit einem neuen Anlauf, im 8. Jahrhundert. Die Macht der Merowinger war im Lauf des 7. Jahrhunderts nach und nach zerfallen. Die schwächer werdenden Könige – auch «nutzlose Könige», später «faule Könige» oder «Schattenkönige» genannt – hatten sie an den obersten Verwalter, den Maiordomus oder Hausmeier, abgetreten,ähnlich wie die Kaiser im neuzeitlichen Japan ihre Macht dem Shogun überließen. Im 8. Jahrhundert entstammten die Hausmeier der Familie der Pippiniden aus der Umgebung von Lüttich, und ihr Amt war erblich geworden.
    Karl Martell, der seinem Vater Pippin dem Mittleren 714 im Amt des Hausmeiers folgte, galt als der eigentliche König, und sein Prestige mehrte sich dank seiner großen militärischen Erfolge, vor allem dem Sieg von Poitiers über die Muslime im Jahr 732. Nach seinem Tod ergriff sein Sohn, Pippin der Kurze, die ganze Macht, indem er kurzerhand den letzten Merowinger absetzte und sich 751 bei einer Reichsversammlung der weltlichen und geistlichen Großen in Soissons zum König krönen ließ.
    Außerordentlich bedeutsam und folgenreich war die anschließende Salbung, die Pippin gemeinsam mit seinen Söhnen Karlmann und Karl 754 in Saint-Denis empfing. Durch diese Rückkehr zum Ritual des biblischen Königtums wurde die Person des Königs als Oberhaupt der Christenheit sakralisiert. Die Salbung stärkte das Ansehen der Monarchie, die sich in Europa hier und dort bis heute gehalten hat. Im westgotischen Europa praktiziert, aber ohne Nachfolge, wurde sie auch von der christlichen Monarchie der spanischen
Reconquista
nicht wieder eingeführt. Nur der König von England, Erbe der angelsächsischen Rituale, die im 8. Jahrhundert auch die Salbung einbezogen, schuf eine sakrale Monarchie. Im Lauf des Mittelalters ergab sich daraus eine symbolische Konkurrenz zwischen den Königen von Frankreich und England, wobei der König von Frankreich den Vorrang mit der Begründung beanspruchte, das Salbungsritual sei von der Taufe Chlodwigs auf die Königsweihe übergegangen. Infolgedessen nahm der König von Frankreich, als einziger vom Heiligen Geist gekrönt, später den Titel
Christianissimus
an, und als das Prestige des Kaisers auf dem Tiefpunkt war, trat er als der vornehmste König der Christenheit hervor. Die Geschichte Europas ist erfüllt von diesen Eifersüchteleien, diesen Rivalitäten, diesen Ansprüchen, die darauf abzielten, im politischen Raum des Westens eine hierarchische Ordnung zu errichten.
    Pippin der Kurze hinterließ sein Königreich und seine Macht dem fränkischen Brauch gemäß seinen beiden Söhnen, die sichdas Erbe teilten. Aber Karlmann starb bereits 771, und der jüngere Karl wurde einziger König der Franken. Karl, das ist kein anderer als der künftige Karl der Große. Mit ihm etablierte sich die neue Dynastie der Karolinger auf dem Thron.
Karl der Große, der erste Europäer?
    In der Tradition sowohl der Franken als auch der Barbaren war Karl der Große in erster Linie ein großer Krieger. Seine Feldzüge gingen mit Christianisierungskampagnen einher, aber stets nach dem Gesetz des Stärkeren, bei dem Gewalt und Grausamkeit überwogen. Karls Eroberungsabsichten galten dem Osten, dem Südosten und dem Süden. Gen Osten, im südgermanischen Raum, besiegte er die Awaren und konnte Bayern im Jahr 788 dem Frankenreich einverleiben; weiter nördlich musste er von 772 bis 803 eine Reihe schwerer Feldzüge gegen die heidnischen Sachsen führen.
    Pippins Hauptverbündeter gegen die Germanen, der angelsächsische Mönch Winfried, unter dem Namen Bonifatius Erzbischof von Mainz, hatte zahlreiche Bistümer geschaffen, darunter Salzburg, Regensburg und Passau, vor allem aber hatte er 744 seinen Schüler Sturmi zur Gründung des Klosters Fulda in Hessen angeregt, wo er nach seinem Tod – er wurde 754 auf einem Missionsfeld von heidnischen Friesen erschlagen – ein Grab erhielt.
    Im Südosten trug Karl der Große seinen bedeutsamsten Sieg davon. Diesmal richtete sich der Feldzug gegen einen zum Christentum bekehrten Herrscher, den König der Langobarden. Aber weil dieser nicht aufhörte, die Besitzungen des Papstes in Italien einschließlich Rom zu bedrohen, hatte der Papst selbst Karl den Großen um Waffenhilfe gegen die Langobarden ersucht. Dank seiner schwer gepanzerten Reiterei errang Karl einen glanzvollen Sieg über den Langobardenkönig Desiderius, an dessen Stelle er sich in Pavia die traditionelle Eisenkrone der Langobarden aufsetzen ließ.

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