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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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großen italienisch-amerikanischen Mediävisten Robert Sabatino Lopez an: «Man kannnicht ein Vorspiel zu Europa nennen, was man genau genommen als Fehlstart definieren muss. Wer heute von Europa spricht, denkt nicht an eine Einheitsreligion oder einen universellen Staat, sondern an einen Komplex politischer Institutionen, weltlichen Wissens, künstlerischer und literarischer Traditionen, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen, die ein Mosaik freier Meinungen und unabhängiger Völker untermauern. Unter diesem Gesichtspunkt wird uns das Karolingerreich als ein bemerkenswerter, aber letztlich fehlgeschlagener Versuch erscheinen.»[ 4 ]
Das europäische Erbe Karls des Großen
    Einige Elemente des modernen Karolingermythos sind trotz allem in das Grundgerüst des künftigen Europa eingegangen. Das erste ist der Entwurf eines vereinheitlichten Rechtswesens. Karl der Große erließ für das gesamte Reichsgebiet Vorschriften, die sich auf die wichtigsten Regierungsbereiche bezogen und die überall und für jedermann Gültigkeit besaßen. Vorschriften in Bezug auf die Verwaltung der großen Landgüter, den Unterricht, die Gesetzgebung, die Einteilung des Reichs und die Königsboten,
missi dominici
genannt, wurden in den berühmten
Kapitularien
festgehalten und gesammelt. Desgleichen versuchte Karl der Große, das Geld zu vereinheitlichen, indem er ein Währungssystem auf der Basis einer Silbermünze, des
Denar
, einführte. Aber die Wiederbelebung des Handels über weitere Entfernungen, insbesondere mit der islamischen Welt, blieb sehr beschränkt. Auch eine andere wichtige Reform blieb in vielen Punkten unvollendet. Sie betrifft die Grundlagen des Rechts und der Gesetzgebung. Wie wir gesehen haben, beruhte die Gesetzgebung der Barbaren auf dem Personenrecht und hatte einen sehr ausgeprägten ethnischen Charakter. Der Franke, der Burgunder, der Langobarde, der Gote – jeder war eigenen Gesetzen unterworfen. Karl der Große wollte diese Rechtsvielfalt durch ein einziges Bodenrecht ersetzen, das für alle im Reich lebenden Männer und Frauen Gültigkeit besitzen sollte. Sogar unvollendet bleibt dies einer der revolutionärsten Reformversuche Karls des Großen und einer von denen, die am ehesten die Möglichkeit einer
europäischen Rechtsgemeinschaft
erkennen lassen.
    Mit größerem Erfolg setzten Karl und seine Nachfolger eine
Vereinheitlichung des Mönchtums
durch, die wegen der Vielzahl, des Ansehens und der regen Aktivität der Mönche schon in den Anfängen gestaltenden Einfluss auf das mittelalterliche Europa nahm. Im sehr frühen Mittelalter hatten sich die Klöster verschiedene Regeln zugelegt. Ordnungs- und einheitsliebend, wie Karl in allen Dingen war, unterstützte er die Einigungsbemühungen eines katalanischen Mönchs, der in Aniane bei Montpellier ein Kloster gründete und die Regel des hl. Benedikt von Nursia aus dem 6. Jahrhundert in erneuerter Form wieder aufleben ließ. Die Übernahme der erneuerten Regel des hl. Benedikt durch alle Klöster des Frankenreiches stand auf der Tagesordnung von fünf Konzilien, die 813 gleichzeitig abgehalten wurden. Der Sohn und Nachfolger Karls des Großen, Ludwig der Fromme, erhob die Benediktinerregel auf der Aachener Synode von 816 zur Pflicht. Den vom hl. Benedikt vorgeschriebenen Aufgaben der Klostergemeinschaft, durch die die Zeit der Mönche eingeteilt wurde in eine Zeit der liturgischen Gebete und der Meditation, eine Zeit der Handarbeit und eine Zeit der geistigen Arbeit, fügte Benedikt von Aniane den Auftrag der Predigt und der Heidenbekehrung hinzu. Die monastische Welt sollte vom 9. bis zum 12. Jahrhundert in der ganzen Christenheit eine wesentliche soziale und kulturelle Rolle spielen, auch wenn diese Ludo Milis zufolge etwas überschätzt worden ist.
Ein Europa der Krieger …
    So entsteht im 9. Jahrhundert unter der Herrschaft der Bischöfe und Weltgeistlichen und durch das Wirken der Mönche ein einheitliches
Europa der Krieger
und ein
Europa der Bauern
. Nach dem Vorbild der Franken sind im Reich Karls des Großen alle Untertanen, die dem Herrscher direkt unterstehen, Krieger. Alle schulden ihm Waffendienst; jeder freie Mann ist ein potentieller Krieger, der entweder unmittelbar oder im Rahmen des von seinem Herrn gestellten Kontingents an den militärischen Feldzügen des Herrschers teilnehmen muss, vom Frühling bis zum Herbst, da die Pferde Gras brauchen, um sich zu ernähren.
    In den 46 Jahren der Herrschaft Karls des Großen gab es nur

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